Ecstasy: Drei Romanzen mit chemischen Zusätzen (German Edition)
nicht mal ne kleine Schwester. Und hiermit schließe ich mein Plädoyer, Euer Ehren; Hohes Gericht, werte Jury und psychopathischer Vollstrecker, der jedes Kneipengespräch in Leith mit den Worten anfängt: Dich kenn ich doch. Du bist doch der Scheißkerl, der …
Ich meine, wie zum Henker kann man uns verwechseln? Ja, wir sind beide aus Leith und etwa im gleichen Alter. Na schön, wir heißen beide Lloyd … ein etwas ausgefallener Vorname für Leith, stimmt schon. Okay, ich und der andere Lloyd haben beide Nachnamen, die mit B anfangen. Oh, und da gibt’s eine weitere kleine Gemeinsamkeit, Euer Ehren; okay, machen wir reinen Tisch: Wir haben beide unsere Schwester gebumst. Was soll ich sagen? Bleibt alles in der Familie. Keine Zeitverschwendung mit ewig langen Anmachsprüchen und Bacardis. Einfach nur, na Schwester, alles klar? Ficken? Hä? Ja? Super. Tja, nur in meinem Fall war’s die Schwester von nem anderen. Alles klar? Alles klar, ihr Fotzen? Die Rockoper, die ich über Lloyd Beattie komponiere, den anderen Lloyd:
In seiner Heimatstadt sitzt Lloyd herum und stiert
Lloyd masturbiert
An der Fensterscheibe
drückt sich Lloyd die Nase platt
die leeren Straßen hat er satt.
Das ist totale Scheiseee, weil’s zu persönlich ist, es ist nämlich über mich, mich als kleinen Teenager vielmehr, und sollte doch eigentlich über Lloyd Beattie sein, und ich muss versuchen, die komplizierten Zusammenhänge zu begreifen, die Lloyd Beattie in diese inzestuöse Affäre mit seiner Schwester verstrickt haben, denn solche Dinge passieren nicht einfach, nicht einfach so, aber Moment mal … wenn Lloyd B. Numero uno, den ich den Kleine-Schwesternnicht-fickenden-Lloyd nennen möchte, d. h.: meine Wenigkeit, als gelangweilter, sexuell frustrierter Teenager in seinem Schlafzimmer in Leith rumgesessen und gewichst hat, was hat dann Lloyd Numero zwei getan; er, der sich in blutschänderischer Weise an seiner eigenen jüngeren Schwester vergangen hat oder vergangen haben soll. Wahrscheinlich das Gleiche wie Lloyd eins, wie alle Vierzehnjährigen in Leith zur Tatzeit. Aber er hat nicht bloß gewichst, die dreckige Sau, er hat’s noch ne Ecke schlimmer getrieben und ein kleines Mädchen mit reingezogen, das zu diesem Zeitpunkt erst zwölf gewesen sein soll, ein ziemliches Debakel für die Sozialarbeiter …
Aber ich bin verfickt noch mal nich besser als dieser Freak, wir haben den gleichen Namen … mehr nicht … nimm’s leicht, es kommt nur von dem beschissenen Acid. Wieder rein zu meinen Freunden, um ordentlich Tschüss zu sagen, bevor ich endlich, wirklich und wahrhaftig zum Deli gehe.
– Ich hab niemals mit meiner kleinen Schwester gefickt, sag ich zu ihnen, als ich wieder ins Wohnzimmer komme.
– Du hast gar keine kleine Schwester zum Ficken, sagt Stevo,– aber wenn du eine hättest, hättest du’s wahrscheinlich gemacht.
Darüber muss ich nachdenken. In meinem Magen regt sich leichte Übelkeit. Ich hab seit Tagen nichts im Bauch, abgesehen von Ecstasy, Amphetaminen und Acid. Immerhin hatte ich einen isotonischen Durstlöscher getrunken, bei Amanda ein Stück von einer Birne gegessen und natürlich den Frischkäse und die ERDBEEREN . Jetzt aber los.
Ich verließ die Wohnung und titschte, ja, titschte die Great Western Road runter. Lloyd Buist, sagte ich mir vor. Schien mir wichtig, das nicht zu vergessen. Leith. Ein Party-Flüchtling. Von der am schlimmsten unterdrückten Sorte. Fight for the right to party ; Blödsinn, seine Energien für überflüssigen Nonsens wie Essen und Arbeit und so was zu verschwenden. Langweilig langweilig scheißlangweilig. Party-Flüchtling Lloyd, gestrandet in Glasgows West End. Ah was lost in France, in love. Nee, nee, du blöder Sack. Du gehst bloß ne simple Besorgung machen, ne simple Besorgung …
– Hallo, Chef!
Zwei junge Typen sind neben mir, sie atmen schwer und gucken sich um, ohne mich richtig anzusehen, während sie ihre Köpfe drehen. Es sind diese Jungs … Robert und Richard, von der Maryhill-Posse. Ständig begegne ich denen, im Metro, im Forum, Rezurrection, The Tunnel, The Arches, The Sub Club … große Slam-Gänger, nee, Terry und Jason … Industria …– Hallo, Jungs!
Ihre Gesichter sind verzerrt, und sie entfernen sich schon wieder mit großer Eile von mir.
– Sorry, Chef, keine Zeit, wir haben Fressen und Flitzengespielt … Scheiße, muss man auch, verstehst du, Bruder … ich meine, man kann ja nicht das Clubbing aufgeben, bloß damit man essen kann …
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