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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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Krankenhauses arbeitete. Ihr gegenüber saß ein winziges verhutzeltes Männchen und stocherte halbherzig in seinem Salat. Als Antwort auf Eds Frage, wie es ihm heute Abend gehe, sagte er: »Heute Abend hoffe ich, wie jeden Abend, im Schlaf zu sterben«, worauf Pop, den Mund voll mit gedünstetem Mais, erwiderte: »Sagen Sie das nicht.« – »Wie«, sagte das Männchen, »warum soll ich das nicht sagen dürfen? Zumindest müssten sie mich nicht jeden Morgen um acht aus dem Bett werfen.« L’Chaim duldete keine Langschläfer, beschwerte er sich. Jeden Morgen stand ein gut gelaunter Mensch um Punkt acht vor seiner Tür und lotste ihn zurück in die Welt der Lebenden, indem er ihm eine frische Unterhose anzog und ihm eine Zahnbürste in die Hand drückte. »Mir geht es genauso«, sagte Pop. »Aber so ist das Leben.«
    Nach dem Essen begleitete Ed Pop durch düstere Flure zu seiner Wohnung. Sobald sie angekommen waren, ließ Pop sich in einen harten Sessel sinken. Er sah dürr und ausgezehrt aus. Seine Körperpflege ließ zu wünschen übrig, und er brauchte dringend ein frisches Hemd, weil auf dem, das er anhatte, Reste des Abendessens klebten. »Pop«, sagte Ed, »dein Hemd ist schmutzig. Sollen wir ein neues anziehen?«Pop strich mit der Hand über die Knopfleiste und sagte: »Schau dir im Fernsehen an, was du möchtest.«
    Sie sahen sich eine Sendung über den Einbau neuer Heizkörper in einer alten viktorianischen Villa an. Pop schlief ein. Ed wartete die gebotenen fünfzehn Minuten, bevor er ihn wach rüttelte und sagte: »Pop, ich muss gehen.«
    »Schon gut«, sagte Pop. »Eine Sache noch. Am Ende des Flurs.« Er zeigte mit dem Finger in die falsche Richtung. »Ich habe da ein seltsames Problem. Dieser vermaledeite Aufzug will einfach nicht auf meiner Etage halten. Die Tür geht nicht auf. Da ist irgendetwas kaputt.«
    »Pop, dafür habt ihr eine Hausverwaltung. Wenn es Probleme mit dem Aufzug gibt, wird sich das Management darum kümmern.«
    »Management? Ich brauche kein Management. Das ist ein Otis-Aufzug, falls es die Firma noch gibt. Dafür schlägt man im Telefonbuch nach, in den Gelben Seiten, unter Aufzugreparatur oder etwas Ähnlichem.«
    Ed sagte: »Ich rede mit jemandem, Pop. Gleich morgen.«
    »Wie«, sagte Pop, »du bleibst nicht zum Abendessen?« Er versuchte sich aufzurappeln. »Eine Minute noch«, sagte er. »Nur eine Minute.« Ed half ihm hoch. Pop putzte sich die Nase mit einem zerknüllten Taschentuch, dann reinigte er damit seine Brille. »Einer von euch ist adoptiert, entweder du oder der andere«, sagte er. »Ich weiß nicht, wer es ist, aber einer ist adoptiert.«
    »Ich habe verstanden«, sagte Ed. »Schon gut, Pop.«
    »Der andere«, sagte Pop. »Ist der jünger oder älter?«
    »Simon?«
    »Daniel.«
    »Daniel ist mein Vater.«
    »Du bist nicht Daniel?«
    »Nein. Ich bin Ed.«
    »Also«, sagte Pop, »einer ist adoptiert. So wie Moses adoptiert war und – wusstest du das? – Ted Danson, der große jüdische Schauspieler aus Cheers .«
    »Pop.«
    »Irgendwo habe ich gelesen, dass er Jude ist.«
    »Wie auch immer«, sagte Ed. »Ich muss gehen. Mach’s gut.« Dann umarmte er Pop, der Eds Schultern umklammerte, sein Ohr küsste und sagte: »Edeleh, fahr vorsichtig und gurte dich an.«
    »Mach ich.«
    »Das nächste Mal kommst du zu meiner Beerdigung«, warnte Pop ihn. »Jeden Abend bete ich zu Gott, bitte, lass mich morgen früh nicht wieder im L’Chaim-Heim aufwachen.«
    »Ich dachte …«
    »L’Chaim«, sagte Pop. »Wollen die sich lustig machen? Auf das Leben? Jetzt? In meinem Alter? Bitte! Lass mein Leben nicht im L’Chaim-Heim zu Ende gehen – bitte! Ich kenne hier jemanden aus der Synagoge, Teufel, der nennt es L’Heil-Heim, ›Heil Hitler!‹ ›Heil Hitler!‹ Ganz genau! Das passt besser!«
    »Pop.«
    »Vielleicht bist du Hitlers Enkel«, sagte Pop. »Das nennt man ›Ironie‹, Herr Doktor. Du weißt, was Ironie ist? Zum Beispiel das auserwählte Volk zu sein, nur wozu auserwählt, um vor allem schikaniert zu werden, immer und überall? Vielen Dank für die Ehre – das ist Ironie, großartig! Ein von Juden adoptierter Hitler, oj gewalt !«
    Es hatte keinen Sinn, sich das wirre Gerede noch weiter anzuhören, deshalb sagte Ed: »Ich liebe dich, Pop«, und ging.
    Als Dans Vater starb, flog Dan nach Pasadena. Zuerst war er irritiert über die unerklärlichen Schulden, doch dann musste er gerührt über die kläglichen Versuche seines Vaters lachen, als Meyer Lansky für

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