Ed King
Bewegung, den Umgang mit Stress, einen Blutverdünner und Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels sprechen. Als sie zu Dan ins Zimmer kamen, sagte er, er wisse nicht mehr, wo er seine Brille gelassen habe, und er hätte trotz Katheter ständig das Gefühl, zur Toilette zu müssen. »Aber grundsätzlich bist du okay«, sagte Alice. »Gott sei Dank ist es nichts Ernstes.«
Nicht lange nach der Operation kam es zu einer erneuten Stenose. Die Ärzte versuchten zuerst eine medikamentöse Behandlung, doch dann musste Dan wieder ins Krankenhaus, und ihm wurde ein zweiter Stent in den ersten eingesetzt. Nach einer plötzlichen Verwandlung sah Dan anschließend aus wie sein Vater: die gleichen behaarten Schultern, die schlaffe Haut, die Blutergüsse, die gebeugte Haltung, die trockenen, glänzenden Schienbeine. »Blutergüsse?«, sagte er. »Die sind von dem Blutverdünner. Aber ich will nicht von Blutergüssen reden.Ich möchte einfach nur hier sitzen und die Times lesen. Ich habe am Montag ein Gespräch mit dem Arzt, aber ich werde nicht auf Blutgerinner verzichten, weil sie die bessere Lösung sind, auch wenn die Hämatome fürchterlich aussehen. Ihr braucht es mir nicht zu sagen, ich weiß, wie ich aussehe – alt.«
Wie sich zeigte, war Alice der Situation nicht gewachsen. »Er ist zu jung«, jammerte sie gegenüber Ed. »Damit hat niemand gerechnet. Dein Vater ist gerade siebenundfünfzig. Der Ärmste, es ist so schrecklich, dass ich nachts nicht mehr schlafen kann. Ich habe furchtbare Angst. Die ganze Sache wächst mir über den Kopf. Stark sein – das sagt man so dahin, weißt du. Dazu braucht man die Unterstützung der ganzen Familie. Es tut mir leid, euch damit zu belasten und euch so viel Verantwortung aufzubürden, aber eure Mutter braucht emotionalen Rückhalt, weil das alles so schrecklich ist und es mir das Herz bricht, euren Vater in dem Zustand zu sehen.«
Dan bekam einen Bypass gelegt, aber inzwischen war die Arteriosklerose so weit fortgeschritten, dass sein Herz in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es bekam nicht mehr genug Blut, um zu schlagen wie zuvor. Sein Myocardium – Dan machte sich nicht die Mühe, die medizinischen Begriffe zu erklären – litt unter Ischämie und starb langsam ab. Er bekam Anginaanfälle, hatte immer Nitroglycerinkapseln bei sich, musste beim Treppensteigen Pausen einlegen und musste das Tennisspielen drangeben, aus Angst, die Anstrengung könnte einen Koronarspasmus auslösen und zu einer Dysrhythmie führen. Laut und bitter beklagte er sein Schicksal: »Ich war schon immer prädestiniert für Herzerkrankungen. Schon als Kind wollten meine Eltern von mir, dass ich gut in der Schule war. Sie zu enttäuschen stand außer Frage, ich musste Arzt werden, Arzt oder Anwalt, alles andere war inakzeptabel. Aber warum wollte ich ihnen immer alles recht machen? Warum habe ich mich nie dagegen aufgelehnt? Meine Eltern waren Einwanderer, hatte ich da eine Wahl? Sie wussten es nicht besser und ich auch nicht. Und jetzt sitze ich hier. Sieh mich nur an, Ed. So weit kommt es, wenn du nicht aufpasst.«
Sie mussten Dan einen Herzschrittmacher einpflanzen, weil, wie er mit einem Sauerstoffschlauch in der Nase im Krankenhaus sagte, »derSinusknoten den Takt nicht hält«. Alice, die am Rande ihrer Kräfte war, holte einen medizinischen Pflegedienst ins Haus, damit sie »regelmäßig entspannen« konnte. Dan hatte Ödeme, seine Beine und Füße waren geschwollen, seine Augen traten hervor, und seine Nase verfärbte sich blau. »Es ist nicht zu übersehen, meine Pumpe macht nicht mehr mit«, sagte er. Zuletzt versammelte sich die Familie zum Krisengespräch im Wohnzimmer, wo Dan mit bebenden Nasenflügeln vor sich hin schnaufte, während Alice heulend seine Hand hielt. »Da wären wir also«, sagte Dan. »Es ist so weit. Jeden ereilt es irgendwann, und jetzt bin ich dran. Ich bin dankbar dafür, dass ihr hier seid, ich habe alle meine Lieben um mich, mehr kann man sich am Ende nicht wünschen. Sicher, ihr braucht es nicht zu sagen, man könnte sich wünschen, für immer zu leben.« Dan hielt inne und schnappte nach Luft, hustete und sprach dann weiter. »Ihr wisst, wie ich darüber denke«, sagte er. »Von jetzt an geht es rapide abwärts. Als Erstes trifft es die Lungen, laut Statistik, und dann geben Nieren und Leber den Geist auf, und das bedeutet schwerste Harnvergiftung, Anämie, bei einigen Leuten auch Lungenentzündung, das ist alles ganz und gar nicht gut, deshalb geben sie
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