Ed King
vorbereitet, die er in einem stilvollen Tontopf servierte. Außerdem hatte er Videokassetten mit alten Familienaufnahmen mitgebracht, worüber Alice sich wie ein Kind freute. Also sahen sich alle, Diane, Bernice, Alice, Ed und Simon, eine Stunde lang unscharfes Filmmaterial an und ließen sich dabei Simons Imbiss schmecken. Sie lachten über Dan, der mit verspiegelter Sonnenbrille in Mexiko am Strand Sports Illustrated las und sonnenverbrannt und schlapp aussah, während Alice hinter der Kamera flüsterte: » Sag was, Daniel, erzähl von unserer Reise.« Es folgte ein Piepston, einige Sekunden weiße Leinwand, und dann war Ed als Vierjähriger zu sehen, der auf krummen Füßen durch den Garten hoppelte und einen Wiffleball wild durch die Gegend schleuderte. Der nächste Ausschnitt zeigte Ed mit acht, wie er mit einem Ringbuch am Küchentisch saß und seine Baseballkarten wie ein Verkäufer stolz in die Kamera hielt; Ed in einer winzigen Nylonbadehose, wie er vor einem Wettkampf seine Hände lockert, beim Schuss der Pistole kraftvoll ins Becken taucht und sofort die Führung übernimmt. Es folgten einige verwackelte Aufnahmen mit lautem Hintergrundlärm von Simons Bar-Mizwa-Feier, dem Höhepunkt seiner Streberphase, wie er mit seinen Freunden kichernd am Tisch sitzt und Kuchen futtert, danach Ed mit sechzehn beim Ölwechsel an seinem GTO, während Alice hinter der Kamera sagt: »Eddie, streich dir die Haare aus dem Gesicht und lach bitte mal.« – »Sieht ziemlich retro aus«, kicherte Simon und strich seine hausgemachte Tapenade auf ein Crostini. »Ich hatte dein Angeberauto ganz vergessen, Eddie, ganz zu schweigen von deiner Phase als böser Junge. Du warst echt eine finstere Type. Wie im Buche.«
Diane hatte sich für Silvester dezent gekleidet, zeigte aber dennoch genügend Bein, dass Ed sicher war, sie würde bei Alice und Bernice Anstoß erregen. Bernice erklärte Diane die Unterschiede zwischen aschkenasischen und sephardischen Juden, zwischen Chassidismus und weniger strengen Formen der Orthodoxie sowie zwischen Rugelachund Zimtschnecken. Beim Blick in den Spiegel sagte sie, sie sehe aus wie Bette Middler, wohingegen Alice behauptete, sie sehe aus wie Glenn Close (»Dein Kinn ist definitiv wie das von Glenn, nicht wie das von Bette«). Sie probierten Simons Tapenade, waren davon ganz begeistert und lobten Simons Kochkünste und »die Erweiterung seiner Interessen«. Es wurde reichlich Wein getrunken, und die beiden übertrieben geschminkten Levine-Schwestern verloren ihre Hemmungen. Bernice behauptete, das englische Frühstück sei Amerikanern unerklärlich (»Bei uns würde man nie eine Tomate so essen«). Diane erwiderte, ohne Baked Beans und Black Pudding sei es gar kein richtiges englisches Frühstück. Dann musste sie erst einmal Black Pudding erklären, worauf Bernice mit » Oj! Jedem das Seine« reagierte. »Ist das nicht hübsch?«, sagte Alice. »Das erinnert mich an Martha Stewart.« Und Bernice fügte hinzu: »Ich habe neulich gelesen, dass ihr Mädchenname Kostyra war und dass sie in einem polnischen Viertel in New Jersey aufwuchs.«
»Schön und gut«, sagte Ed. »Ihr beleidigt Diane. Diane – Gemeinheiten sind in dieser Familie durchaus üblich.«
»Wir lieben sie«, sagte Bernice. »Sie ist zauberhaft.«
»Wie alt müsste Petula Clark mittlerweile sein?«, fragte Alice.
»Oder Lulu«, sagte Bernice. »Die To Sir, With Love gesungen hat.«
»Ihr seid fies«, sagte Ed. »Und das am Silvesterabend.«
»Nein«, sagte Diane. »Ich amüsiere mich prächtig.« Dann hob sie ihr Glas Asti Spumante und sagte fröhlich: »L’chaim!«
Als die Party vorüber war und sie gemeinsam aufräumten, sagte Bernice: »Ich habe die Briten immer bewundert. Wenn Churchill nicht so eine Bulldogge gewesen wäre, hätte Hitler womöglich die Juden ausgelöscht und ich würde jetzt nicht mit meinem Geschirrtuch hier stehen. Was andererseits nicht ganz so schlimm wäre, weil ich sowieso jeden Moment zusammenbreche.«
»Ich auch«, sagte Alice. »Was für ein Abend.«
Diane sah munter und hellwach aus. »Warum setzt ihr zwei euch nicht einfach hin?«, sagte sie. »Legt die Füße hoch und kümmert euch nicht darum. Ich bring das schon in Ordnung. Ihr ruht euch aus.«
Ed und Diane heirateten in der Chapel of the Flowers in Las Vegas. Zuerst erwarben sie eine Heiratserlaubnis im Clark County Courthouse, dann wählten sie vor der Kapelle einen Brautstrauß und eine Einsteckblume aus, traten für die Nummer des
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