Ed King
Angeblich sollte ein Rudel Wapiti-Hirsche auf das Grundstück gebracht worden sein, damit die Kings sie von ihren diversen Balkonen aus beobachten konnten. Und es gab Spekulationen, dass das Haus über der Erde, wie man es auf P-Planet sehen konnte, bloß die Spitze des Eisbergs war und dass darunter eine unbekannte Welt lag.
»Das Schloss«, wie es überall genannt wurde, schützte Ed und Diane vor Voyeuren, Promi-Jägern und Paparazzi, die ihnen ab 2005 keinen Augenblick Ruhe ließen. Aber was die einen aussperrt, sperrt die anderen ein, also kauften sich Ed und Diane eine der San-Juan-Inseln und errichteten dort ein zweites Königreich. Danach kauften sie eine Burg aus dem zwölften Jahrhundert in Cumbria, siebenundzwanzig Autominuten vom Flughafen in Carlisle entfernt, mit von Mauern umschlossenen Gärten, einem normannischen Wohnturm und dreißig schützenden Hektar sanft gewellter Flur und Waldes ringsum. Hier verbrachte Diane am liebsten ihre Zeit, wie eine Baroness hinter mächtigen Quadermauern, ihre Mahlzeiten vor einem Fenster mit bezaubernder Aussicht einnehmend oder über ihrer Lektüre in einem Wintergarten, der auf ein Rosenbeet hinausging. In Cumbria entwickelte sie ein öffentlich gepflegtes Interesse für die Romane von Jane Austen. Interviewer ließ sie wissen, sie liebe Austens kluge Frauengestalten und verabscheue ihre Schurken und Lords. Wenig später fasste sie den Entschluss, dem Jane Austen Trust eine Million Pfund zu spenden. Und siehe da, die Reaktion auf ihre Großzügigkeit war so überwältigend positiv, dass Diane sich nach anderen in Frage kommenden Spendenadressen umsah. Pythia ernannte sie zur Vorsitzenden seiner Stiftung, und sie verbrachte ganze Vormittage damit, Anträge auf Unterstützung zu prüfen. Diane liebte diese Tätigkeit: die Ablehnungen hierhin, die Zustimmungen dorthin und ein dritter Stapel für die noch unentschiedenen Fälle. Die Anfragen nahmen kein Ende. Bis zum Hals in Arbeit, saß Diane oft an ihrem Schreibtisch in Cumbria, von dem aus sie auf üppige Rosenbeete und penibel gestutzte Hecken blickte.
Trotz mehrerer Häuser, Mauern und weitläufiger Ländereien blieben Ed und Diane einem nie abreißenden Strom cleverer Kläger und handgreiflichen Bedrohungen ausgesetzt, die einen ständig anwachsenden Sicherheitsapparat notwendig machten. In Dianes Fall bedeutete das, ehemalige Liebhaber abzuwimmeln, die glaubten, einfach so aus ihren Löchern kriechen zu können. Auch Ron Dominick versuchte, sich der Herausforderung zu stellen, aber da er seine Identität als ehemaliger Koksdealer nicht preisgeben wollte, bekamen seine haltlosen Anschuldigungen niemals Gewicht. Einige Journalisten bedrängten Jim Long in der Hoffnung, von dem Ski-Baron schmutzige Details über die Scheidung zu erfahren, aber Jim schmetterte alle Medienanfragen ab und erklärte in einer Pressemitteilung, er wolle »Dianes Recht auf Privatsphäre in allen persönlichen Belangen« respektieren. Was blieb hängen? Gerüchte? Pikante Andeutungen? Dass Diane ein Sexleben gehabt hatte, bevor sie bei Pythia einheiratete? Dass Diane in der Zeit der großen Koks-Welle jung gewesen war? Es hatte Präsidenten und Premierminister gegeben, die gekokst hatten. Alles andere war Boulevardjournalismus. Diane war nicht unbedingt teflonbeschichtet, aber nichts von dem, was über sie in Umlauf war, konnte Pythias Image unterm Strich schaden.
Ed war ähnlich widerstandsfähig, aber 2005 erhielt er die Nachricht von einem eingegangenen Anruf, die lautete: »Tracy, Nachname unbekannt«, gefolgt von einer Telefonnummer und der vielsagenden Nachricht: »Wir müssen über Walter sprechen.«
Er rief sofort an. Seine ehemalige Grufti-Freundin hieß inzwischen Tracy Hoepfinger, war vierundvierzig und Mutter von zwei Kindern, lebte in Phoenix und war kürzlich von einem Lüftungs- und Heizungsbautechniker geschieden worden. »Und du bist reich und berühmt«, sagte sie. »Dein Name steht in sämtlichen Illustrierten.«
»Schön, von dir zu hören, Tracy.«
»Schön für mich. Weil ich gerade das große Los gezogen habe.«
In kürzester Zeit hatte sie ihn so weit, einem geheimen Treffen wie in einem Agententhriller zuzustimmen. Tracy wollte ihn sofort sehen. Für jemanden, der eine seinen Wünschen angepasste 747, zwei baugleiche Geschäftsflieger vom Typ Gulfstream G 550 und eine Cessna Citation X mit beinahe Schallgeschwindigkeit besaß, war das kein größeres Problem. Für seinen Flug nach Phoenix wählte Ed einen
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