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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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Geistlichen vor den Altar, schäkerten mit dem tuntigen, drolligen Organisten und gaben ihrem grinsenden Trauzeugen, einem Pflegeschüler an der University von Las Vegas, ein großzügiges Trinkgeld. Da es an diesem Tag nicht unerträglich heiß war, gingen sie die zweieinhalb Meilen von der Kapelle zum Mirage zu Fuß, wo sie ihre Ehe auf einem herzförmigen Bett vollzogen, bevor sie sich in eine Cabaña am Pool setzten. Abends aßen sie ein fünfgängiges französisches Menü und sahen anschließend die Show eines Magiers, der als Höhepunkt eine Corvette herbeizauberte und darin von der Bühne fuhr.
    Zu Hause am Lake Sammamish holte Ed seinen Taschenrechner hervor. Obwohl er frisch verheiratet war, kannte er Diane jetzt seit vier Jahren, und er rechnete aus, dass sie (durchschnittlich sechs Mal die Woche, multipliziert mit 190 Wochen) über eintausend Mal miteinander geschlafen hatten. Als er ihr die Zahl nannte, lächelte sie und sagte, sie hoffe, eine Heiratsurkunde sei weder der Qualität noch der Quantität abträglich. Wie sich zeigte, waren die eintausend Mal erst der Anfang. Fünf Jahre später, ungefähr zu der Zeit, als sich viele Leute um den »Millenium Bug« Sorgen zu machen begannen, überschritten sie die Zweitausender-Marke. Inzwischen war Ed über fünfunddreißig, und die Frequenz sank schneller. Dennoch stieg ihre Gesamtsumme stetig, während das neue Jahrtausend Fahrt aufnahm. 2003, zu seinem vierzigsten Geburtstag, errechnete Ed, dass er dreitausend Mal in, auf oder mit Hilfe von Diane gekommen war. Und weiter fand er heraus, dass sie geschätzte eintausend bis eintausendfünfhundert Stunden lang Sex miteinander gehabt hatten. Ungefähr dreihundert davon hatte er mit dem Gesicht zwischen ihren Beinen verbracht. Genug, dachte Ed, und legte den Taschenrechner beiseite. Es war genug, dass er und Diane alles in ausreichendem Maße getan hatten. Dass er tausende Male jeden Winkel ihres Körpers erforscht hatte, so wie sie seinen mit dem gleichen unermüdlichen Interesse erforscht hatte. Dass ihre Säfte und Gerüche sich vermengt und vermischt hatten. Dass es aufregend gewesen war und es auch jetzt noch war.
    Im selben Jahr, 2003, starb Alice an Brustkrebs, nachdem sie zwei Jahre dagegen gekämpft hatte. Ed trauerte selbstverständlich um sie, aber er machte mit seinem Leben weiter, wie die Leute es einem rieten, indem er sich in die Arbeit stürzte. Das war nicht weiter schwer, weil Pythia sich nicht nur zu einem weltweit bekannten Unternehmen entwickelt hatte, sondern obendrein eine neue Zentrale auf einem eintausendsechshundert Hektar großen gestaffelten Plateau zehn Meilen östlich von Seattle bezog. Die räumliche Ansiedlung der großen Technologiekonzerne hatte inzwischen bereits den »Googleplex« und den »Microsoft Campus« hervorgebracht, aber die Gegend um das Pythia-Hauptquartier an den Ausläufern der Cascades war bald weltweit schlicht unter dem Namen Pythia bekannt. Man sprach bald darüber, wie Ed und Diane dort lebten. Pythia war zu weitläufig, um es ganz zu erfassen, mit seinen Seen, Wäldern, Hügeln, Tälern, Schluchten und Sümpfen, die seine Gebäude und Parkplätze umgaben, sodass die Kings auf einem einhundertzwanzig Hektar großen, durch eine Mauer abgetrennten Privatgrundstück leben konnten. Um ihren Besitz, der in aller Munde war, rankten sich Spekulationen. Das Haus selbst war nur aus der Luft zu sehen. Diener und Angestellte lebten auf dem Gelände. Lieferungen wurden am Haupteingang in Empfang genommen und zum inneren Heiligtum des Paares gebracht oder zum japanischen Teehaus, wo die Kings Würdenträger empfingen. Zumindest raunte man, dass es Würdenträger seien. Genaues wusste man nicht, obwohl die Fakten schwarz auf weiß nachzulesen waren, nämlich anhand des geschätzten, von Jahr zu Jahr steigenden Werts des Anwesens und anhand der Vermögenssteuer, die die Kings jährlich zahlten. (Die Zahlen erschienen auf Fan-Webseiten, von denen die bekanntesten King-Watch und Python waren, wo auch Beschreibungen von Eds jeweiliger Frisur, die Namen von Dianes bevorzugten Modedesignern, Berichte, wann und wo sie im Ausland gesehen worden waren, unscharfe Fotos der beiden auf Reisen und Angaben zu Preis, Ausstattung und Sicherheitssystemen ihrer Luxusjacht zu finden waren.) Man war sich sicher, dass ihr Haus nach dem modernsten Stand ökologischer Technik gebaut worden war (entsprechende Hinweise waren vor dem Bau an die Presse gelangt). Fast alles andere waren Gerüchte.

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