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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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den Korb auf die Straße trug, ihn auf den Rücksitz des Streifenwagens stellte und laut die Tür zuschlug. Stacy traten Tränen in die Augen. Sie nickte nur wortlos, als die Beamten sich verabschiedeten. »Solche Dinge passieren«, sagte sie später zu Arnie. »So ist die Welt. Jemand setzt sein Baby in der Kälte aus, und als Nächstes kommt ein Polizist und knallt ihm die Tür ins Gesicht.«
    »Schon gut«, sagte Arnie.
    »Der arme Kerl sollte an der Brust seiner Mutter liegen, anstatt in einem Streifenwagen durch die Gegend zu fahren. Ich meine, bitte, Arn, kannst du mir sagen, wo Gott jetzt gerade ist? Die Leute reden immer groß daher, von Gottes weisem Ratschluss, alles geschehe zu unserem Besten und wir sollten nicht versuchen, es zu verstehen. Nun, ich verstehe es nicht. Ein Gott, der solche Dinge zulässt, was für ein Gott ist das?«
    Arnie griff nach seiner Pfeife und sagte: »Ich weiß es nicht. Jeder tut, was er kann, der Rest liegt nicht in unseren Händen.«
    »Was ist das für ein Gott?«, wiederholte Stacy.
    Das Heim der Boys and Girls Aid Society of Oregon auf dem Southeast Powell Boulevard wurde von Frauen geleitet, die teils aus Intuition und teils aus Erfahrung daran glaubten, dass ein Waisenhaus wie ein richtiges Zuhause sein sollte. Für den ausgesetzten Jungen, der ihnen von der Polizei in Portland übergeben wurde und der im Säuglingsheim von allen Seiten verwöhnt wurde, war dies ein großes Glück. Liebevolle Frauen kümmerten sich rund um die Uhr um Findelkinder, bis diese einen Platz in einer Pflegefamilie fanden oder adoptiert wurden. Mit anderen Worten, in den ersten Wochen seines Lebens genoss der Sohn von Diane Burroughs und Walter Cousins ausgiebig den engen Kontakt mit Frauen, so wie es von Kinderpsychologen empfohlen wurde. Und er hatte diese Art Kontakt auch nicht nur mit einer Frau, zu der er eine enge emotionale Bindung aufbaute, was aus Sicht derPsychologie ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für die frühkindliche Entwicklung ist, sondern er hatte gleich fünf Frauen um sich, alle aufmerksam, gut ausgebildet und gewissenhaft, die ihn im Arm hielten, mit ihm redeten, ihm die Flasche gaben, ihm in die Augen sahen, ihn wickelten und ihn mit ruhiger Stimme trösteten, wenn er weinte. Unter dieser Zuwendung blühte er auf und profitierte von den Vorteilen der modernen Kinderfürsorge. Er wurde verwöhnt, geknuddelt, im Arm geschaukelt und ihm wurden Lieder vorgesungen. Als jüngster Schützling des Heims lebte er wie ein kleiner Prinz und wurde von allen Seiten bewundert. Die Geschichte seiner Aussetzung weckte beim Dienstpersonal mütterliche Gefühle und Mitleid. Niemand wollte, dass das arme, ungewollte Kind ohne Namen durch die Maschen fiel oder auch nur die kleinste Entbehrung erdulden musste. Es war noch so klein, dass es für ihre mitfühlende Fürsorge noch nicht zu spät war. Negative Einflüsse hatten seine Entwicklung noch nicht beeinträchtigt, wie bei vielen älteren Kindern des Heims. Die Kraft ihrer Herzensgüte würde ihm einen guten Start sichern. Und da ein namenloses Kind etwas zu Abstraktes war, um als Gefäß für ihre Gefühle zu taugen, nannten sie ihn »unser kleiner verlorener Spatz«, und später einfach nur »Spatz«.
    Es war eine einzigartige und phantastische Zeit für »Spatz«. Elfeinhalb Wochen königlicher Fürsorge, einschließlich viel mehr warmer Milch, als er brauchte, und jeder Menge Talkumpuder zwischen Hüften und Knien. Schon bald hatte »Spatz« ein Doppelkinn und verbrachte seine wachen Stunden in einem Zustand wohliger Bedürftigkeit, der nach Baby-Öl, Talkumpuder, Eier-Sandwiches und Diet-Rite-Softdrinks roch. Dann wurde er eines Tages aus heiterem Himmel zu warm angezogen und von seiner neuen Adoptivmutter, Alice King, hinausgetragen. Später würde sie die erste Stunde, in der sie ihn im Arm gehalten hatte, immer mit dem Duft von Rosen verbinden. Und zwar deshalb, weil sie ihren Wagen direkt neben einem großen Rosenbusch geparkt hatte, der einen schweren, leicht stechenden Duft verströmte. Die Blüten mit korallenroten, spitzen Blütenblättern und langen Dornen waren so bezaubernd schön, dass sie eine pflücken und als Andenken zwischen Buchseiten pressen wollte. Sie streckte ihre freie Handnach einer Blüte aus, die noch nicht ganz aufgeblüht war, um sie abzureißen oder mit dem Fingernagel abzuknicken. Plötzlich fühlte sie einen schmerzhaften Stich im Daumen, sodass sie ihre Hand zurückzog und den Daumen in den Mund

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