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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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eingebildeter alter Sack. Hielt sich selbst für den Größten. Gott, was für ein Loser! Als ob ihm die Straße gehörte! Als ob Ed niemand wäre! Scheiße auch!
    »Verdammt«, sagte Ed. »Den mach ich fertig. Der Wichser soll Gras fressen.« Zwanzig Sekunden später, an der nächsten Kreuzung, machte er seine Ankündigung wahr, indem er den Wagen von der Straße in ein Feld abdrängte, wo der BMW sich viermal überschlug – dreimal seitwärts und zuletzt vornüber – und dann auf dem eingedrückten Dach im Korn liegen blieb.

4
    Armer Walter
    Nachdem er seine Frau zum ersten Mal mit Diane betrogen hatte, fiel Walter Cousins die Rückkehr in sein altes Leben schwerer als erwartet. Der Entschluss, einem weiteren Seitensprung zu widerstehen, schwand mit der Zeit, und je weiter die Affäre mit dem Au-pair zurücklag, desto weniger machte er sich deshalb Vorwürfe. Nach einer Weile vergaß er, wie er sich an dem Montagmorgen gefühlt hatte, als ein Teenager ihn auf eine unbegrenzte Zahlung von fünfhundert Dollar monatlich erpresst hatte, und kurz darauf begann er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau, die er im Ernstfall ebenfalls unter Druck setzen konnte, wenn es denn nötig war. Aber es war nie nötig. Die Affäre verlief völlig problemlos. Nachdem sie vorüber war, folgten drei weitere in der gleichen Art, alle unkompliziert, experimentell und pragmatisch. Zuletzt jedoch, im sechzehnten Jahr seiner Ehe, wurde Walter bei einem Seitensprung mit einer Freundin seiner Frau ertappt. Lydia und die andere Frau kannten sich seit zehn Jahren, und Walter verstand sich gut mit ihrem Ehemann, sodass es elf Monate dauerte, bis ihre perfekte Schauspielerei durch eine Unachtsamkeit aufflog. Natürlich war es das Ende der Freundschaft zwischen den Paaren, aber was noch schwerer wog, war das Ende von Lydias Vertrauen. Dennoch blieb Walter verheiratet. Er und Lydia gingen zur Eheberatung. Sie hörten damit auf, als sie feststellten, dass sie das Geld brauchten, um ihre Kinder durchs College zu bringen. Außerdem hatten sie nach all den teuren Sitzungen bestenfalls eine Art Patt erreicht. Vielleicht, dachte Walter, war »Entspannung« das bessere Wort, genau wie bei Nixon und den Russen. Wie auch immer, Entspannung war das, was Walter empfand, wenn ermit Lydia auf ihrem Ehebett lag und unter ihrem äußerst spärlichen Sexualleben litt. Alle sieben bis zehn Tage versuchte er mit Lydia etwas in Gang zu bringen, aber drei von vier Mal wurde er rundheraus abgewiesen, und das vierte Mal war auch nicht der Rede wert. Lydia befand sich wie er sexuell auf dem absteigenden Ast, aber obwohl sie wieder ihre Diäten machte, schien sie zumindest weit entfernt von den ernsten psychischen Störungen des Jahres 1962. Seit neuestem machte sie Jazzercise-Übungen, und seitdem sie Nathan Pritikins 60 Minutes im Fernsehen gesehen hatte, hielt sie sich an seinen Diätplan. Zwangsläufig achtete auch Walter mehr auf seine Ernährung, stemmte ab und zu Hanteln und verbrachte einige Minuten auf dem Lauftrainer im Schlafzimmer. Außerdem hatte er Gefallen an Gartenarbeit gefunden und zupfte manchmal mit Lydia Unkraut. An Wochenenden gingen sie gemeinsam laufen, beide in Trainingsanzügen, mit einem Baumwollhandtuch im Nacken und in jeder Hand ein Anderthalb-Kilo-Gewicht. Auf San Juan Island liefen sie am Vormittag, arbeiteten nachmittags am Haus und verbrachten die Abende mit gemeinsamem Nichtstun. Walter machte sich nichts mehr daraus, dass das Haus seine Macken hatte. Er und Lydia kamen sich darin ein wenig verloren und einsam vor. Ihre erwachsenen Kinder kamen nur noch selten zu Besuch, sodass Walter viel Zeit hatte, aufs Wasser zu starren, gewöhnlich mit einem Bier in der Hand. Immer gab es etwas, das während dieser nachdenklichen Stunden am Wasser an ihm nagte oder ihn beunruhigte. Der tiefere Grund war, dass er nicht sterben wollte. Soweit es ihn betraf, war der Tod das Problem. Das grundlegende menschliche Problem. Jedermanns Problem. Insofern ging es ihm nicht anders als allen anderen, aber das war ein schwacher Trost.
    Gelegentlich gelang es Walter und Lydia, Tina auf die Insel zu locken, hauptsächlich weil sie eine Freundin in Friday Harbor hatte, die den Sommer über als Kellnerin arbeitete. Barry hingegen kam schon seit drei Jahren nur noch am Wochenende um den 4. Juli, wenn die Kneipen im Ort aus allen Nähten platzten. Mit anderen Worten, selbst wenn die Kinder sie besuchen kamen, waren sie nicht wirklich da. Lydia sagte, sie

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