Ed King

auf die auch Simon ging. Nachdem er sich dort eingelebt hatte, musste er anerkennen, dass sein jüngerer Bruder sich eine eigene Nische in der strengen Hierarchie der Schule geschaffen hatte, obwohl oder gerade weil er jünger war als alle anderen. Si war der interessante und schräge Nerd, der eine Klasse übersprungen hatte und möglicherweise ein Genie war; Si war der brillante, schlaksige Spinner, der später einmal Milliardär sein würde; und Si war, peinlicherweise, mit Ed in einer Stufe. Er hatte Freunde, richtige Freunde, darunter sogar Mädchen. Er hing mit einer Clique von Nerds herum, zu der auch zwei durchschnittlich aussehende Mädchen gehörten. Sie spielten Dungeons and Dragons und trafen sich spätabends in einem Jack-in-the-Box-Schnellrestaurant. Ed war sich sicher, dass Si noch Jungfrau war, obgleich es da draußen, wie er wusste, Mädchen gab, die mit einem Typ ins Bett gingen, der an den Nägeln kaute, Kakao trank, eine Schildkröte als Haustier hatte und stolz auf seine Geschicklichkeit beim Lösen des Zauberwürfels war. Sosehr Mädchen ihn auch für seine Klugheit mochten, er war auch launisch, leicht durcheinanderzubringen und letztendlich vermutlich einfach nur zu dämlich, um seine Hände in ihre Hosen zu bekommen.
    Si war ein Nachtschwärmer. In seinem Zimmer standen überall halbvolle Cola-Dosen, und es roch, als hätte er seit Wochen kein Fenster mehr geöffnet. Er hatte Dutzende Videospiele, Hunderte Comics und ein Regal mit Programmierhandbüchern. Nachdem er im Februarseines zweiten Jahres mit einer akuten Blinddarmentzündung ins Krankenhaus gemusst hatte, verbrachte Si nach seiner Rückkehr ganze Nächte mit dem Programmieren von Videospielen. Er redete von nichts anderem mehr. Ständig verteilte er Demos in Form von Floppy Disks in beschrifteten Hüllen. Mit der Unterstützung von Freunden und Verbesserungsvorschlägen von Ed machte Si erstaunliche Fortschritte bei der Entwicklung eines Spiels auf einem Apple-II-Computer, das Martian Mangler hieß und das er an ein Computermagazin verkaufen wollte. Beim Spielen der Probeversion von Martian Mangler musste Ed anerkennen, dass Si gut im Entwickeln von Graphiken war und die Assemblersprache beherrschte, nur fehlte ihm jedwede Kreativität. Martian Mangler basierte auf einer dürftigen Spielidee und war obendrein auch noch abgekupfert. Es war eine Art Mischung aus Asteroids und Ultima, besaß allerdings weder die Spannung des einen noch die Tiefe des anderen und hatte eher etwas von einem elektronischen Damespiel. Ed versuchte es Si zu erklären, doch der wollte nichts davon wissen. Er behauptete steif und fest, eine Geldmaschine erfunden zu haben, während es tatsächlich ein Flop war. Zumindest glaubte Ed das, bis das Magazin inCider Simon einhundert Dollar für Martian Mangler zahlte. Danach bekam er hundertfünfzig Dollar für Arcturan Attack und zweihundert für Venus Sky Trap . Si nahm mit Moon Buggy Blaster beim Spielewettwerb der Zeitschrift Up Time teil und gewann fünfhundert Dollar Preisgeld. In seinem Briefkopf nannte er sich Chefprogrammierer von King Software, Inc. Zu Beginn des dritten Schuljahres konkurrierten die Freunde aus seiner Clique mit Freunden, die er durch Aushänge kennengelernt hatte, und Mitspieler für Dungeons and Dragons fand er nicht mehr im Jack in the Box, sondern über MUDs. Simon hatte sogar eine digitale Freundin, die sich HackAttack nannte, nur in ihren privaten Chats war sie Katie. Offenbar lebte sie in Saratoga Springs, ging aufs Skidmore College und war die Cousine des Drummers der Misfits. Aber wer wusste das schon? Genauso gut konnte sie fünfzig und ein Perverser mit Koteletten sein.
    An Dans fünfzigstem Geburtstag zogen sich Ed und Si in Simons Höhle zurück, um eine Runde Heavyweight Boxing zu spielen. Für einen linkischen Typ hatte Si ungemein flinke Daumen, mit denen erseine Spielfiguren durch den Ring tänzeln und höchst wirksame Schlagkombinationen ausführen ließ. Bevor er Ed zu Boden schickte, gab er ihm gute Tipps wie »Super Punch einsetzen« oder »Ducken und direkt ins Gesicht«. Si war ein wirklich guter Lehrmeister und immer »hilfsbereit«, wenn er auf Ed eindrosch und ihn zuletzt zur Aufgabe zwang. Ed gönnte ihm diese kleinen Triumphe, die für ihn Teil eines langfristigen Wiedergutmachungsprogramms waren. Für den üblichen Bruderzwist waren sie inzwischen zu alt, und dies war ihre neue Art des Kräftemessens.
    Nach drei K.-o.-Siegen rief Alice sie an den Tisch zu einer