Ed King
Anon mit ihren blauen Augen, der samtbraunen Haut und ihren wild zerzausten roten Locken sorgte dafür, dass Ms Klein keinen ihrer bissigen und ablehnenden Kommentare verpasste. Ed fiel dadurch die Rolle des Vermittlers zu, indem er Yael durch Bestätigung, leichte Ellbogenstöße und Kneifen bei Laune hielt und gleichzeitig versuchte, den Draht zu Recline zu halten und es sich bei ihr nicht zu verscherzen.
Im Dezember wird es in Seattle früh dunkel. Bereits um vier Uhr nachmittags breitet sich ein ungemütliches Halbdunkel aus, und danach schwindet das Licht so schnell, dass bis fünf alles wie unter einer schwarzen Glocke versinkt. Die Fernstraßen sind, besonders an einem Freitag nach Anbruch der Dämmerung, unangenehme Orte, an denen schlechte Sicht herrscht und der nasse Asphalt im Licht der Frontscheinwerfer durchscheinend wie ein Ölfilm glänzt. In ebendiese bedrohliche Düsternis steuerte Ms Klein den Bus an einem Freitagnachmittag zu einem Wochenendturnier in Spokane, am anderen Ende des Staates Washington. Ed saß wie immer auf der Rückbank, eingezwängt zwischen der schweigsamen, zurückhaltenden Linda Dorman auf der einen und Yael, ihr zuckersüßes Gift verteilend, auf der anderen Seite. Von den Schultern bis zu den Knien wurde er gegen sie gepresst, was in seiner Lendengegend eine angenehme Spannung verursachte, so als wäre er der Faden einer Glühbirne, der einen Stromkreis schließt.
Vorn hielt Ms Klein das Lenkrad mit beiden Händen umklammert und mühte sich tapfer, nicht von der Seite oder von hinten gerammt, von der Fahrbahn gedrängt, weggehupt oder sonst wie attackiert zu werden. Ed konnte entfernt ihre angespannten Halsmuskeln und die angestrengte Konzentration erkennen, mit der sie durch Atemwolken und schnell hin- und herschlagende Wischblätter auf die Straße starrte. Emily hatte sich auf dem Beifahrersitz halb nach hinten gedreht und unterhielt sich mit Vanessa über Physikhausaufgaben, langes Schlafen und darüber, wie retro Olivia Hussey in Zefirellis Romeound Julia -Verfilmung aussah. In dem Moment beugte sich die sonst so wortkarge Linda nach vorn und sagte: »Augenblick mal, ihr zwei, was ist mit Romeos Hintern?«
Simon drehte sich wie ein pubertierender Dr. Strangelove zu ihr um. Auf ihren Ausflügen wusste Ed seine Gegenwart zu schätzen, weil er ein nicht unterzukriegendes Mathe-Ass war und weil sein Licht auch auf Ed fiel. »Jetzt reden wir schon über Männerpos«, sagte Si. »Was kommt denn als Nächstes? Wer den längsten Penis hat?«
Von der Rückbank hörte Ed Ms Klein eindeutig amüsiert und vielleicht auch zustimmend prusten. »Simon«, krächzte sie. »Auweia!«
Alle lachten, und für einen Moment herrschte im Wagen eine augelassene Stimmung, trotz des aggressiven, Gischt spritzenden Verkehrs jenseits der schlierigen Windschutzscheibe. Emily lachte wie üblich am längsten, so hämisch und schadenfroh, dass Linda sie anfuhr: »Miststück!« Ms Klein rutschte auf ihrem Sitz herum und blickte abschätzig in den Rückspiegel. »Teenager«, sagte sie.
Ed fragte sich, ob Ms Klein ihn in ihr Pauschalurteil einschloss. Er überlegte, ob er geradeheraus über Romeos Auftritt im Adamskostüm sprechen sollte, um seiner Lehrerin zu zeigen, wie erwachsen er über Sexualität dachte. Doch jetzt war es dazu zu spät, weil sie zu einem anderen Thema übergegangen waren, also konzentrierte er sich wieder auf das wohlige Gefühl zwischen seinen ihn wärmenden Nachbarinnen und auf das plötzliche Zurückzucken von Linda Dormans Arm, als ihr bewusst wurde, dessen war er sich sicher, dass die Berührung mit Ed sich gut anfühlte.
Eine halbe Stunde später hatte der Verkehr nachgelassen, aber der Regen war in höheren Lagen in Schnee übergegangen, und die entgegenkommenden Sattelzüge schleuderten schmutzigen Schneematsch gegen die Windschutzscheibe. Als der Schnee einen Film auf der Straße hinterließ, fuhr Ms Klein zwischen zwei riesige Lastzüge an den Straßenrand, schaltete die Automatik auf Parken und drehte den Rückspiegel so, dass sie Ed im Blick hatte. »Kann hier wer Schneeketten aufziehen?«, fragte sie.
Ed, Simon, Linda und Ms Klein versammelten sich auf dem Seitenstreifen. Einen Moment standen sie unschlüssig in Schnee und Kälte.»Brrr!«, sagte Simon. Flocken sprenkelten ihre Köpfe. Die vorbeifahrenden Wagen schlitterten gefährlich. Im Licht der entgegenkommenden Fahrzeuge sah man den schräg einfallenden Schnee, der aus der wolkenverhangenen
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