Ed King
Bouillabaisse, Salat mit Anchovis und einem Möhrenkuchen, Dans Lieblingsgericht. Während des Essens hörten sie Traditionelle Musik aus Madagaskar in Erinnerung an Dans Zeit als Arzt für die UN. Anschließend riefen Dans Bruder und seine Schwester an, um ihn wegen seiner fünfzig Jahre aufzuziehen und sich flachsend über den Nachwuchs, die ersten Zipperlein und die Altersbeschwerden ihres Vaters zu unterhalten, der in einem Heim für betreutes Wohnen in Pasadena lebte. »Eds erste Wahl ist Mathematik in Stanford … Simon würde am liebsten ans Caltech … Alice hat alle Hände voll zu tun, denkt aber viel darüber nach, was sie demnächst machen soll, wenn alle ausgeflogen sind …« Simon schenkte Dan einen eilig hingeschmierten Gutschein für fünfmal Autowaschen, Ed ein Buch von einem jüdischen Arzt und Alice einen Dackel, den sie mit einer roten Schleife um den Hals an der Leine aus der Garage holte. Dan wusste nicht recht, was er davon halten sollte. »Das ist sehr nett und aufmerksam«, sagte er, »aber ich weiß nicht, ob ein Hund das Richtige ist.«
»Daniel«, erwiderte Alice, während der neue Dackel sabberte, »die Jungen sind bald auf dem College. Ich dachte, wir nehmen den Hund als Ersatz. Ich habe ihn aus dem Tierheim. Er ist achtzehn Monate alt. Er ist klug, er ist kastriert, er ist stubenrein, er bellt nicht. Er ist nicht zu groß und nicht zu klein. Und offen gesagt, du kriegst zu wenig Bewegung. Du sagst zwar immer, du willst mehr spazieren gehen, aber du tust es nicht. Jetzt hast du keine Ausrede mehr. Ab sofort gehörst du zu den Menschen, die man morgens und abends mit dem Hund auf der Straße sieht.«
»Danke«, sagte Dan. »Vielen Dank.«
»Komm schon«, sagte Alice und streichelte dem Hund den Kopf. »Ich habe ihm noch keinen Namen gegeben. Ich dachte, du könntest das tun. Gib’s zu, er gefällt dir, stimmt’s?«
»Er ist furchtbar hässlich«, sagte Dan. »Wenn du schon einen Hund kaufen musst, dann wenigstens einen mit Stil oder so was. Der sieht aus wie eine Wurst auf vier Beinen. Außerdem sind Dackel deutsch, wusstest du das nicht? Ich hoffe, du hast dich vorher informiert.«
»Wir nennen ihn Adolf«, schlug Simon vor.
Der Dackel ging von einem zum anderen und schnüffelte am Schritt. Alice erklärte, sein Sabbern, sein Hecheln und sein Winseln kämen daher, dass die Umgebung ungewohnt und das Tier verschreckt sei. Dan hielt die Leine, während Alice die Kerzen anzündete. Nach dem ersten Bissen Kuchen sagte er mit gekünstelter Stimme: »Wenn wir so etwas im Haus haben, werde ich dick und fett«, worauf Alice antwortete: »Denk an dein hohes Cholesterin.«
»Tatsächlich ist nur der Wert meines schlechten Cholesterins hoch. Mein gutes Cholesterin ist niedrig.«
»Euer Vater hat beschlossen, sich mehr zu bewegen.«
»Alice!«, sagte Dan. »Das interessiert die Jungen doch nicht.«
»Sie lieben dich«, sagte Alice. »Das sind die besten Jungen, die man sich wünschen kann. Sie interessieren sich für alles, was du sagst. Sie opfern sich sogar, meinen Möhrenkuchen zu essen, damit du nicht so … korpulent wirst, Daniel. Sieh nur, wie sehr sie dir beistehen. Möchte noch jemand Eiscreme, oder soll ich die Packung wegstellen?«
Adolf blieb. Alice führte ihn aus, zuerst jeden Tag, dann jeden zweiten und zuletzt hin und wieder. Adolf kratzte an der Haustür und sogar am Türknauf, um nach draußen zu kommen. Wenn sie Gäste hatten, wurde er im Badezimmer eingesperrt, weil er so bösartig knurrte. Kurzum, Adolf war für Dan die Gelegenheit, Alice zu bestrafen. Er wollte Adolf zurück ins Tierheim bringen, aber Alice war dagegen. Zuletzt bekam Adolf einen Maulkorb gegen sein Bellen verpasst und wurde in die Garage verbannt. Dreimal am Tag öffnete Alice mit der Fernbedienung an der Sonnenblende ihres Peugeot die Garagentür, damit Adolf seine Notdurft verrichten konnte. Anschließend lotste sieihn mit einem Stück Trockenfleisch zurück in seine Höhle und schloss das Tor, während der Hund das Stück Fleisch trotz des Maulkorbs hinunterzuschlingen versuchte. Aus Mitleid nahm sie ihm für zehn Minuten den Korb ab, in denen er hastig aß und Wasser trank und sie im Auto eine Illustrierte las.
In Mathematik holte Ed auf. Er kaufte sich einen vernünftigen graphikfähigen Rechner, erledigte Algebra III mit links und belegte mit Simon Höhere Analysis und Statistik. In Tests wetteiferten sie um die höchste Punktzahl. Sie notierten sich die Fehler des jeweils anderen, um
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