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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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abholen?«
    Ich sagte »bis später« und legte auf. Aber eigentlich wollte ich gar kein Später. Ich bereute es nicht, mit ihr geschlafen zu haben, im Gegenteil. Aber wenn ich den Ehemann einer Frau suchte, mit der ich ins Bett ging, würden wir das beide nur zu bald bereuen, das wusste ich. Außerdem musste ich den Zug kriegen.
    * **
    Der DART – kein Mensch sagt Dublin Area Rapid Transit dazu – fährt für fünfzig Kilometer auf der Zugstrecke, die an der Ostküste des Landes entlangführt, von Rosslare im Süden bis nach Belfast im Norden. Ich fuhr damit bis zur Pearse Station, überquerte die Westland Row und schloss mich der Horde von Büroangestellten an, die durch das hintere Tor des Trinity-Colleges strömten. Der Campus war zwar keine direkte Abkürzung, um ins Zentrum zu kommen, aber ein morgendlicher Spaziergang über ein elisabethanisches Universitätsgelände war sicher nicht die schlechteste Art, den Tag zu beginnen. Während ich durch den College Park spazierte, vorbei an der Old Library und über das Kopfsteinpflaster zum Haupteingang, überlegte ich, wie mein Leben wohl aussehen würde, wenn ich hier Medizin studiert hätte, wie ich es damals, vor all den Jahren, eigentlich vorhatte. Der unbegangene Weg.
    Am College Green ging ich weiter Richtung Süden, vorbei am Haus des Rektors – Grafton Street Nummer 1: eine Traumadresse –, und schlenderte durch das noble Einkaufsviertel von Dublin. Es strahlte Eleganz und Glamour aus, ein dreistes, plakatives Selbstbewusstsein, das man noch vor zwanzig Jahren kaum in Irland gefunden hätte. Dabei hockte in jedem Hauseingang ein Penner. Die meisten Geschäfte waren noch geschlossen, aber das Wachpersonal hatte seinen Rundgang bereits begonnen, und die Obdachlosen rafften ihre Pappkartons und Schlafsäcke zusammen und machten sich bereit für einen neuen Tag – wie der auch immer aussehen mochte, wenn man nirgends hinkonnte und nichts zu tun hatte.
    An der Ecke South King Street/St. Stephens Green hatte ich eigentlich das Sinnott’s erwartet, wo ich mit Tommy Owens früher oft einen trinken war und von dem ich all die Jahre immer wieder geträumt hatte, aber dort befand sich jetzt ein riesiges weißes Einkaufszentrum, das mit seinem verspielten Dach und den verzierten Fenstern wie eine überdimensionale Hochzeitstorte aussah. Das Sinnott’s war ein Stück die Straße hinunter gewandert und hatte sich dabei von einem urigen viktorianischen Pub mit langem, dunklem Holztresen in eine gesichtslose, typisch nordamerikanische Sports-Lounge verwandelt.
    Ich passierte eine schnittige Straßenbahn aus mattiertem Chrom und Glas, die an der Ecke von St. Stephen s Green hielt, ging quer durch den Park in die Leeson Street, warf noch einen Blick auf die Visitenkarte, die mir bei der Beerdigung in die Hand gedrückt worden war, und stieg dann die Stufen eines georgianischen Reihenhauses hinauf. Es gab nur ein Klingelschild: Doyle & McCarthy, Rechtsanwälte. Ich klingelte.
    Nachdem ich kurz am Empfang gewartet hatte, fuhr ich mit dem Aufzug in den zweiten Stock, wo mich David McCarthy, schlank, groß und im dunkelblauen Anzug, erwartete.
    »Edward Loy! Einen wunderschönen guten Morgen, Sir.« Sein Ton war fröhlich und unbeschwert. Ich folgte ihm in ein geräumiges Besprechungszimmer, und wir setzten uns einander gegenüber an einen langen, glänzenden Holztisch. Durch die hohen Schiebefenster fiel das Sonnenlicht herein und spiegelte sich in den Diplomen und Auszeichnungen, die gerahmt an einer Bilderleiste an der Wand hingen.
    »Freut mich, dich an so einem schönen Morgen hier begrüßen zu dürfen«, näselte David. Er zog einen schwarzen Mont Blanc aus der Brusttasche und legte ihn auf einen linierten DIN-A4-Block auf dem Tisch. »Könnte das vielleicht bedeuten, ich soll mich für dich um das gute alte Haus kümmern?«
    David McCarthys älterer Bruder Niall war in meine Parallelklasse gegangen, und sie waren beide zur Beerdigung gekommen. Niall war Finanzberater, David Anwalt in der Kanzlei seines Vaters, und die typischen Charakterzüge beruflich erfolgreicher Süd-Dubliner waren bei beiden voll ausgeprägt: besessen von Rugby und Golf, das ganze Jahr über braun gebrannt, keinen Funken Phantasie und eine Tendenz, jedes zweite Hauptwort mit den Adjektiven »gut« und »alt« zu versehen.
    »In der Tat, David«, sagte ich. »Ich möchte verkaufen und dann baldmöglichst zurück in die USA.«
    »Gut. Dann werden wir also versuchen, das Ganze so schnell wie

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