Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
war’s, glaube ich.«
»Und das war das Übliche? Klingt ehrlich gesagt eher unkonventionell für einen Controller.«
»Stimmt. Aber Peter Dawson ist streng genommen auch gar kein Controller. Die eigentliche Arbeit machen die Leute von Hanly Boyle, die haben von Anfang an die Buchhaltung für Dawson erledigt. Peter hat so eine Art Ehrentitel … der Sohn vom Chef, Sie wissen schon.«
»Das muss doch demütigend für ihn sein.«
»Anfangs war es das nicht, glaube ich. Leicht verdientes Geld, keine Miete, das Boot, seine schöne Frau: So viel Glück muss man erst mal haben. Aber in den letzten paar Monaten wirkte er zunehmend unzufrieden.«
»Ist Ihnen letzten Freitag etwas Ungewöhnliches an ihm aufgefallen?«
Dagg verzog nachdenklich das Gesicht.
»Er wirkte tatsächlich … nicht direkt zerstreut, aber irgendwie abgelenkt. Unter Strom, als wäre er wegen irgendwas aufgeregt. Kaum waren wir fertig, war er schon wieder weg, ganz Geschäftsmann.«
»Was hatte er an?«
»Beigefarbene Hose, weißes Hemd, dunkelblaues Sportsakko. Seine übliche Uniform.«
Daggs Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche und las die Nummer auf dem Display. »Tut mir Leid, da muss ich rangehen«, sagte er. Dann bellte er ins Telefon: »Ich hab doch gesagt, du sollst hingehen, nicht in seinem Büro anrufen … Weil das alles Lügner sind, weil sie immer sagen, die Genehmigung ist in der Post, obwohl das gar nicht stimmt … Also gut, nochmal zum Mitschreiben: DU GEHST JETZT INS RATHAUS, SETZT DICH VOR JIM KEARNEYS BÜRO UND KOMMST ERST ZURÜCK, WENN DU DIE GENEHMIGUNG HAST.«
Dagg drehte sich mit noch immer wütendem Blick zu mir um, zog dann die Brauen hoch, verdrehte die Augen und grinste. Wir waren inzwischen bei seinem Wagen angekommen, einem schwarzen Volvo Kombi, Baujahr 94. Er stand an einer schmalen Zufahrtsstraße, die zu einer alten Wohnsiedlung mit kleinen Backsteinreihenhäusern führte.
»Ich weiß schon«, sagte Dagg. »Eigentlich sollte ich einen nagelneuen Wagen mit Vierradantrieb, Kuhfängern und allern Drum und Dran fahren. Aber die Dinger kann man einfach nicht parken. Außerdem sieht man damit wie der letzte Trottel aus.«
Er legte seine Sachen auf den Rücksitz und sah mich dann über das Autodach hinweg an. »Ich mag keine reichen, verwöhnten Kinder, Mr. Loy. Und das ist Peter, auch wenn er selbst nichts dafür kann. Er hat keine Ahnung von Arbeit, Geld oder Verantwortung. Für ihn ist das Leben nur ein Spiel. Wie er seine Frau hält, ist mir schleierhaft.«
»Klingt, als würden Sie Linda Dawson selbst gern halten«, bemerkte ich beiläufig.
»Ich bin verheiratet und habe drei Kinder«, sagte Dagg und ließ offen, ob das nun ein Grund für oder gegen verstärktes Interesse an Linda war. Wie ein rundum zufriedener Familienvater klang er jedenfalls nicht.
Er schaute auf die Uhr.
»Jetzt muss ich aber wirklich los«, sagte er.
»Eins noch. Sie renovieren das Rathaus. Wissen Sie, wer für den ursprünglichen Bau verantwortlich war?«
»Wer immer das war, gehört dafür in den Knast. Deshalb sind wir ja jetzt hier, da sind Risse in der Bausubstanz, die … Das ganze Ding hätte längst einstürzen können.«
»Wissen Sie noch den Namen der Baufirma?«
»Aus dem Kopf nicht. Aber ich habe die alten Pläne im Büro, ich kann für Sie nachschauen.«
Wir tauschten Handynummern aus, und ich ging wieder den Berg hinunter. Als ich an der Einfahrt zum Rathaus vorbeikam, wäre ich fast von Dave Donnellys unauffälligem blauem Wagen überfahren worden. Er hatte ein Blaulicht auf dem Dach befestigt, und der Wagen schoss an mir vorbei auf die Straße und bog mit quietschenden Reifen um die Ecke Richtung Bayview.
Sechs
Der Barmann im High Tide erklärte, er habe letzten Freitag keinen Dienst gehabt, aber eine der Kellnerinnen müsse in zwanzig Minuten kommen. Ich bestellte mir ein Bier und trank es an der Theke. Das High Tide lag zwei Stockwerke über der Seafront Plaza und war nüchtern und modern ausgestattet: riesige, abstrakte Klecksereien an den eierschalenen Wänden, weiche Ledermöbel und blank polierte Graniteinbauten in Mokka- und Cremetönen. Jetzt, am Mittwochnachmittag um vier, saßen dort drei Anzugträger mit Halbglatzen und Hängebacken, die Brandy tranken und Zigarren rauchten, zwei aufgetakelte Frauen um die vierzig mit einer Flasche Weißwein und vielen schicken Einkaufstüten zwischen sich und ein Grüppchen Mädels um die zwanzig, die Pints mit Lager und Alcopops umklammert hielten und jede
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