Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
vielleicht, um sich mit JW zu treffen? Aber wer war JW? Stand das W für Williamson?
Ich zog die Fotos aus der Tasche und erwischte dabei auch das Flugblatt, das unter dem Scheibenwischer gesteckt hatte. Es wies darauf hin, dass der Stadtrat von Seafield bei dem Versuch versagt habe, das Fortbestehen des öffentlichen Freibads zu sichern, und warnte vor den Gefahren, falls diese Einrichtung an ein privates Bauunternehmen verkauft werden sollte. Weiterhin rief es zu einer öffentlichen Kundgebung vor dem Orchesterpavillon an der Promenade mit anschließendem Protestmarsch zum Freibad auf. Das Flugblatt schloss mit den Worten: »Veröffentlicht im Namen der Kampagne zum Erhalt des Freibads von Noel Lavelle und Brendan Harvey, Stadträte der Labour-Partei in der Stadtverwaltung von Seafield.« Die Namen kamen mir bekannt vor.
Ich las mir noch einmal die Liste mit den vierzehn Namen durch: Brian Joyce, Leo McSweeney James Kearney, Angela Mackey, Mary Rafferty Seosamh MacLiam, Conor Gogan, Noel Lavelle, Eamonn Macdonald, Christine Kelly, Brendan Harvey, Tom Farrelly Eithne Wall, John O’Driscoll. Da waren sie ja, die beiden Labour-Typen. Und der Rest? Ob das alles Stadträte waren? Und noch einen Namen hatte ich bereits gehört: James Kearney. Ich rief Rory Dagg auf dem Handy an und fragte ihn nach dem Kearney, vor dessen Büro man sich postieren musste, um eine Baugenehmigung zu bekommen.
»Ja, das ist Jim Kearney. Was ist denn mit dem?«, fragte Dagg. Im Hintergrund hörte ich Kleinkinder plappern.
»Ist er Stadtrat hier?«
»Nein, aber er arbeitet bei der Stadtverwaltung. Er ist für die Bauplanung zuständig.«
»Könnten Sie … Wenn ich Ihnen eine Liste mit Namen vorlese, könnten Sie mir dann sagen, ob diese Personen eine Verbindung zur Stadtverwaltung von Seafield haben?«
»Kommt drauf an, wie lang die Liste ist. Ich bin hier ganz allein mit drei Kindern unter fünf.«
Ich las ihm die Liste vor und ließ Harvey und Lavelle weg.
»Ja, die meisten sind entweder Stadträte oder bei der Stadtverwaltung angestellt.«
»Was ist mit Seosamh MacLiam?«
»Der ist eine gottverdammte Nervensäge. Gegen Stadtplanung, gegen Bauunternehmer, gegen alles, was nicht vor mindestens zweihundert Jahren gebaut wurde. Wenn es nach dem guten Mr. Williamson ginge, würden wir alle am Straßenrand campieren. Wobei er natürlich auch gegen Straßen ist.«
Aus dem Hintergrund hörte man ein lautes Poltern, einen durchdringenden Schrei und dann das Brüllen eines Kindes.
»Ich muss Schluss machen«, brummte Dagg und legte auf.
Mr. Williamson? Seosamh MacLiam. Natürlich: MacLiam – Liams Sohn – war die gälische Übersetzung von Williamson. Und Seosamh war das gälische Pendant zu Joseph. Ich war zu lange fort gewesen und hatte ganz vergessen, dass Irland seine eigene Sprache besaß – auch wenn die meisten Iren es vorzogen, diese Sprache nicht zu sprechen. Und Mrs. Williamson war seine Frau und jetzige Witwe, die gekommen war, um die Leiche zu identifizieren.
Joseph Williamson.
JW.
Allem Anschein nach bestand ein Zusammenhang zwischen Peter Dawsons Verschwinden und dem Tod des Stadtrats. Es wurde Zeit für eine ernsthafte Unterhaltung mit Tommy Owens.
* **
Als ich an der Promenade von Seafield vorbeifuhr, hatte man MacLiam-Williamsons Leiche bereits auf eine Bahre verfrachtet, die gerade in einen Krankenwagen geschoben wurde. Ein Fernsehteam der RTE filmte, und ich sah im Vorbeifahren, wie DI Fiona Reed das Mikrofon wegschob, das ein Reporter ihr vor die Nase hielt. Von der Küstenstraße bog ich auf die Eden Avenue ab. Dort verbargen sich Villen aus den zwanziger und dreißiger Jahren hinter riesigen Maulbeerbäumen, Eschen und Kastanien, deren Zweige in der Abendsonne unter der Last ihrer grünen Blätter zu ächzen schienen. In Quarry Fields waren Kinder mit Skateboards unterwegs, und in der Einfahrt des Hauses, das ich noch nicht so recht als meines betrachten konnte, war Tommy Owens, in einer abgewetzten alten Armeehose und einem Clash-T-Shirt aus der Zeit von Give ’Em Enough Rope, damit beschäftigt, den 1965er Volvo aufzupolieren.
Als er mich sah, kam er nah an mich heran und sagte leise und eindringlich zu mir: »Ed, die Knarre ist weg. Ich hab in der Anrichte nachgeschaut.«
»Schon gut, Tommy. Ich habe sie.«
»Hast du sie bei dir? Oder …«
»Ich passe drauf auf. Mach dir keine Sorgen.«
Tommy sah mich mit gerunzelter Stirn an. Ich zwinkerte ihm zu und betrachtete dann den Wagen.
»Mensch,
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