Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
mich fragend an, und sein breites, offenes Gesicht schwankte zwischen Belustigung und berufsbedingtem Misstrauen.
»Stimmt genau, Detective«, sagte ich.
Dave machte mir ein Zeichen, unter dem Absperrband durchzukommen. Dann führte er mich zu einem Wagen, der wohl ihm gehören musste: eine unauffällige dunkelblaue Limousine, die so sehr nach Bulle aussah, dass man es auch in Goldfarbe hätte draufschreiben können. Er stützte sich auf das Dach des Wagens, nahm sich eine Zigarette und grinste mich an.
»Was zum Geier hast du vor, Ed?«, fragte er freundlich, aber direkt. »Was soll das Theater von wegen Privatdetektiv?«
Ich zuckte die Achseln. »In L. A. ist das mein Job. Vermisste suchen, belastende Beweise finden, Scheidungsfälle, von Zeit zu Zeit ein kleiner Auftrag als Bodyguard … eigentlich von allem etwas. Erst habe ich noch für jemand anders gearbeitet, aber dann habe ich mich selbständig gemacht.«
»Und damit willst du jetzt hier weitermachen? Dagg hat mir erzählt, dass Peter Dawson verschwunden sein soll. Warum hat Linda Dawson uns davon nichts gesagt?«
»Das habe ich sie auch gefragt. Aber du weißt selbst, wie ihr seid, Dave: Ein erwachsener Mann, der seit … warte … fünf Tagen verschwunden ist, steht bei der Polizei nicht gerade ganz oben auf der Liste, oder?«
»Wie bist du da überhaupt reingeraten?«
»Nach der Beerdigung, im Bayview. Alle anderen waren schon weg, Linda ist geblieben und hat sich voll laufen lassen. Irgendwer musste sich um sie kümmern. Dann hat sie mich angefleht, nach Peter zu suchen. Sie war ganz außer sich, und irgendwann habe ich ja gesagt.«
»Das hättest du gestern wirklich nicht auch noch gebraucht.«
»Wem sagst du das.«
Eine Pause entstand. Wir schauten zum Meer hinunter. Die Fähre verließ gerade in flottem Tempo den Hafen und schickte hohe Gischtwellen in Richtung Promenade.
»Du hast keine Lizenz, um hier als Privatdetektiv zu arbeiten, Ed.«
»Ich wusste nicht, dass ich eine brauche. Aber wenn ich Linda sagen soll, dass du mich verwarnt hast, dann ist das in Ordnung. Eigentlich brauche ich das nämlich auch heute noch nicht«, sagte ich.
Dave musterte mich noch einmal und fuhr sich mit der Hand über das raspelkurze, grau melierte Haar. »Andererseits gibt es dir etwas zu tun, lenkt dich ab, von der Beerdigung und allem«
»Stimmt.«
»Warst du denn gut? In L. A., meine ich?«
»Ich konnte davon leben.«
»Und du würdest alles, was du herausfindest, an mich weitergeben?«
»Ich kann schließlich niemanden festnehmen.«
»Wenn du irgendwelchen Kollegen auf die Füße trittst, kenne ich dich nicht.«
»Ich dich auch nicht, Dave.«
Ich kannte Dave Donnelly schon mein ganzes Leben lang. Wir waren zusammen auf der Grundschule gewesen, und wenn man die Klasse damals gefragt hätte, was wir alle mal werden würden, hätten wir nur bei Dave richtig gelegen. Er war nicht der Schlauste, nicht der Lustigste und auch nicht der beste Fußballer, aber er strahlte eine ruhige Autorität aus, eine Schülersprecherqualität. Man wollte einfach, dass er einen mochte.
Dave lachte, zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und warf sie dann weg.
»Komm und schau dir das an, Ed. Interessante Sache.« Er ging zum Eingang des Rathauses, und ich folgte ihm, nachdem ich Rory Dagg ein Zeichen gemacht hatte, dass es noch einen Moment dauern würde. Dagg telefonierte mit dem Handy und signalisierte mir, mir Zeit zu lassen.
Dave nickte dem Uniformierten zu, der im Eingangsbereich Wache schob, gab mir einen Helm, und wir fuhren mit dem Aufzug nach unten. Als die Türen aufgingen, trat Dave auf eine Gerüstrampe hinaus, Teil eines verzweigten Netzes von Laufstegen, die sich kreuz und quer durch das ganze Kellergeschoss zogen. Sämtliche Wände und Raumteiler waren eingerissen, und zurück blieb ein einziger großer Raum. Die Decke wurde von schweren Stahlträgern gestützt. »Hier wird gegraben, um das Fundament tiefer zu legen«, erklärte Dave. »Die Decken hier unten waren viel zu niedrig, irgendwelche Baufehler, was weiß ich. Jedenfalls haben sie das Betonfundament aufgerissen. Und jetzt schau dir mal an, was sie dabei gefunden haben.«
In der Mitte des Raumes, etwa zweieinhalb Meter unter uns, umringte ein medizinisches Team der Polizei eine Metallbahre und war damit beschäftigt, vorsichtig Betonreste von einer halb bekleideten Leiche zu entfernen. Ein Polizeifotograf machte Fotos, und die Leute von der Spurensicherung waren mit ihren Pülverchen
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