Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
platzen. Mir tat der Magen an der Stelle weh, wo Podge Halligan zugeschlagen hatte, und der Schädel brummte mir von den Kopfnüssen, die ich Blaukappe verpasst hatte. Ich trank meinen Mojito aus. Linda trat hinter mich und legte mir die Hände auf die Schultern.
»Wenn du mir nicht helfen willst, komme ich nicht weiter«, sagte ich. »Du musst mir alles sagen, was du weißt.«
»Alles kann ich dir nicht sagen, Ed. Ich bin ja nicht mal selbst sicher, was ich weiß. Was ich glaube … was ich befürchte … das musst du selbst herausfinden. Ich will, dass du es selbst herausfindest.«
Ich drehte mich um und sah ihr lange in die Augen. Keine Ahnung, was ich darin suchte: Vertrauen, Aufrichtigkeit, irgendein Zeichen, dass sie es ehrlich meinte. Aber ich sah nur den kalten Glanz der Angst.
Ich ging zur Tür. Linda folgte mir und blieb nur kurz stehen, um die Fernbedienung für das Sicherheitstor aus dem Dielenschrank zu kramen.
»Eigentlich solltest du jetzt nicht mehr fahren«, sagte sie.
»Als ich weggegangen bin, war besoffen fahren der große Volkssport«, sagte ich. »Was ist passiert? Ist die Zivilisation ausgebrochen?«
»Nicht ganz. Ich glaube, man tut nur so.«
Als ich nach draußen kam, gaben mir fast die Knie nach. Egal. Wenn ich mit offenem Fenster fuhr, würde schon nichts passieren. Linda ging mit mir die Einfahrt entlang und rief mit leisen Zischlauten nach ihrer Katze. Als sie den Volvo sah, kam sie näher, um ihn zu bestaunen.
»Hat meinem Vater gehört«, sagte ich. »Du weißt ja, dass er mal eine Autowerkstatt mit John Dawson hatte. Sie sind zusammen aufgewachsen.«
Lindas Augen leuchteten auf.
»Da fällt mir etwas ein, was Peter mal gesagt hat: ›Das geht alles auf Fagan’s Villas zurück.‹ Kannst du damit etwas anfangen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, er auch nicht«, sagte sie.
Linda drückte auf die Fernbedienung. Ich lenkte den Volvo nach draußen und fuhr los. Kurz darauf hielt ich wieder unter meinem Maulbeerbaum an der Castlehill Road an und rauchte eine Zigarette.
»Das geht alles auf Fagan’s Villas zurück.« Meine Mutter und mein Vater waren dort aufgewachsen, John und Barbara Dawson ebenfalls. Sie waren alle gemeinsam jung gewesen, vor über fünfzig Jahren. Darauf ging alles zurück. Aber was? Was war ›alles‹? Der Leichnam aus dem Betonfundament des Rathauses in Seafield? Das Foto von meinem Vater und John Dawson? Die Tatsache, dass die beiden Aktenordner mit der Aufschrift »Familie« in Peter Dawsons Arbeitszimmer leer und alle Fotos verschwunden waren, die die beiden Männer vielleicht gemeinsam zeigten? Ich saß im Wagen, rauchte und wartete.
Eine halbe Stunde später glitt ein dunkelgrauer Lexus mit getönten Scheiben von Castlehill herunter und bog in die Zufahrtsstraße ein. Ich wartete noch eine Viertelstunde, dann stieg ich aus und ging die Einfahrt entlang zum Sicherheitstor. Lindas Haus lag im Dunkeln, der Lexus stand davor. Ich merkte mir das Kennzeichen. Außerdem merkte ich mir den Namen der Sicherheitsfirma, die für diese kleine abgeriegelte Siedlung verantwortlich war. Ihr Name prangte auf dem Sicherheitstor: Immunicate.
* **
Sie winkten mich am Ende der Castlehill Road heraus. Zwei uniformierte Polizisten kamen auf mich zu und musterten das Auto eingehend. Dann kam der eine zur Fahrerseite und klopfte an die Scheibe. Ich ließ das Fenster herunter.
»Schöner Wagen, Sir.« Er hatte hellblaue Augen und schmale Lippen mit einem arroganten Grinsen darauf, das ich ihm am liebsten gleich aus dem Gesicht geschlagen hätte.
»Vielen Dank«, sagte ich.
»Wissen Sie, dass der weder angemeldet noch versichert ist?«
»Ja. Der Wagen ist erst heute fertig geworden. Ich konnte nicht widerstehen, sofort damit zu fahren.«
»Wahrscheinlich haben Sie auch keinen Führerschein.«
»Natürlich habe ich einen Führerschein«, sagte ich. »Ich habe ihn nur nicht bei mir. Mein Name ist Edward Loy. Ich bin gerade aus Amerika hier wegen einem Trauerfall, da ist alles ein bisschen … Sie verstehen schon …«
»Natürlich. Haben Sie was getrunken, Sir?«
»Habe ich, ja, einen oder zwei Drinks«, sagte ich. »Vielleicht sogar drei?«
»Wenn Sie bitte aussteigen würden, Sir.«
Ich dachte nach und kam zu dem Schluss, dass ich zum Aussteigen nun wirklich keine Lust hatte. Stattdessen merkte ich, als der grinsende Polizist beiseite trat, um mich aussteigen zu lassen, dass ich Lust hatte, den Zündschlüssel zu drehen, den Gang reinzuhauen, das
Weitere Kostenlose Bücher