Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
schwarzes Jäckchen über einem tief ausgeschnittenen lila Seidentop, einen engen schwarzen Rock, der knapp über dem Knie endete, schwarze Strümpfe und Highheels. Das goldblonde Haar hatte sie hochgesteckt, und ihr Lippenstift hatte denselben dunkelroten Ton wie ihr Nagellack. Sie sah nicht gerade danach aus, als hätte sie vor, einen ruhigen Abend zu Hause zu verbringen.
Tommy Owens hatte gesagt, Linda Dawson könne uns alle unter den Tisch trinken, das passe wunderbar zu ihrer Nummer. Ich versuchte, diese Aussage und die elegante Erscheinung, die ich gerade sah, mit der Linda zu vereinbaren, die ich bisher erlebt hatte: betrunken, verheult, eine verlorene, einsame Seele am Ende ihrer Kräfte. Auf einmal drehte sie sich um und ging quer durch den Raum ans Telefon, und wie sie sich dabei in den Hüften wiegte, machte mir jeden weiteren klaren Gedanken unmöglich. Ich musste mich abwenden, um wieder zu Atem zu kommen. Es war drückend heiß an diesem Abend. Jenseits der Bucht lag die Stadt dunkel und geheimnisvoll unter ihren schimmernden Lichtern, eine große Kathedrale, die nur von Kerzen erhellt wurde.
Ich kehrte zur Haustür zurück und klopfte. Hohe Absätze klapperten auf dem Parkett, und Lindas Stimme rief: »Einen Augenblick.«
Als sie die Tür öffnete, schien sie gar nicht überrascht, mich zu sehen. Im Gegenteil, sie wirkte erleichtert.
»Hey, Ed, da bist du ja. Wie bist du denn durch das Tor gekommen?«
»Ich habe mich an deine Nachbarin gehängt. Sie hat sich nicht weiter darüber gewundert, dass ein wildfremder Mann vor deiner Tür steht.«
»Was willst du damit sagen?«
»Was glaubst du denn, was ich damit sagen will? Du siehst nicht gerade aus, als wolltest du in die Kirche.«
»Du denkst wohl, ich bin allzeit bereit und meine Tür steht fremden Kerlen immer offen?«
»Ist das so?«
»Und wennschon? Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Ich habe dich engagiert, damit du meinen Mann suchst, nicht, damit du meine Moral testest.«
»Ein eifersüchtiger Liebhaber könnte durchaus Interesse daran haben, deinen Mann verschwinden zu lassen. Und zwar für immer.«
Ich hatte den Eindruck, Angst in Lindas Miene aufflackern zu sehen.
»Ich habe keinen … es gibt niemanden, auf den das zutreffen würde.«
»Bist du dir da ganz sicher?«
»Absolut.«
Linda fuhr sich mit der Zunge über die roten Lippen und lächelte.
»Andererseits hast du meine Moral letzte Nacht schon ziemlich intensiv getestet, wenn ich mich recht erinnere. Wie war das für dich, Ed Loy? Hast du bekommen, was du wolltest?«
Sie lächelte weiterhin, sah mich dabei aber herausfordernd an. Und plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr wie ein Detektiv, sondern selbst wie ein eifersüchtiger Liebhaber, den Wallungen meines bescheuerten Blutes ausgeliefert.
»Ja, danke der Nachfrage«, sagte ich. »Und selbst?«
»Ich bekomme immer, was ich will.« Linda bleckte die Zähne. »Und anschließend stelle ich immer fest, dass das gar nicht war, was ich wollte. Dass ich die ganze Zeit eigentlich nur eins wollte … einen Drink.«
Sie stand nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Ich roch, ich schmeckte fast ihr Make-up, ihren Grapefruitduft, den Zigarettenrauch in ihrem Atem.
»Was ist mit deiner Lippe passiert?«, fragte sie.
»Hab mich wohl gebissen«, sagte ich.
Sie legte ihre kalte Hand an meine Wange, drehte sich um und ging ins Haus zurück.
Ich fand sie in der Küche, wo sie einen Krug mit Rum und Zitronensaft füllte und Minzblätter in eine Schüssel warf.
»Mojitos«, sagte sie. »Willst du auch einen?«
»Klar«, sagte ich. »Und beim Mixen kannst du auch gleich die Lücken in der Geschichte auffüllen, die du mir erzählt hast.«
»Was wären das für Lücken?«, fragte Linda.
»Zum Beispiel, dass du Tommy Owens im High Tide getroffen hast, als Peter schon weg war. Dass er dir vermutlich erzählt hat, er hätte Peter einen Sack voll Geld von George Halligan gegeben. Dass du von dieser Sache und überhaupt von allem viel mehr weißt, als du mir gegenüber zugibst. Und dass du mir, falls du wirklich daran interessiert wärst, deinen Mann wieder zu finden, ganz bestimmt alles sagen würdest, was du weißt.«
Linda hatte die Minzblätter mit Zucker und Wasser in einem Mörser zerstoßen. Jetzt hielt sie mit gesenktem Kopf inne. Sie schien zu schluchzen.
»Die Tränen kannst du dir sparen, Linda. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir das noch abnehme.«
Sie hob den Kopf und funkelte mich aus trockenen Augen
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