Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
Alkoholspiegel, der fünfmal über der Promillegrenze liegt, ohne Fahrzeugschein, Versicherung und Führerschein, widersetzt dich der Festnahme und verübst einen tätlichen Angriff auf einen Polizeibeamten. Du hattest nicht zufällig Geburtstag oder so?«
»Ich hatte viel um die Ohren, Detective. Von einem tätlichen Angriff weiß ich nichts …«
»Du hast Garda Nolan in einen Rosenbusch geschubst. Er sieht aus, als hätte er sich mit einer Katze angelegt, und zwar mit einer aus dem Zoo.«
»Garda Nolan. Ist das der, der immer so blöd grinst?«
»Heute bestimmt nicht. Was in aller Welt hast du dir dabei gedacht? Ich weiß, du hast gerade deine Mutter begraben, aber … verdammt, Mann, du kannst doch hier nicht rumlaufen und dich dermaßen aufführen. Und dann noch sturzbesoffen Auto fahren.«
Ich wollte zu einer Rechtfertigung ansetzen, etwas in der Art, dass ich seit der Beerdigung noch keine Zeit zum Trauern hatte und stattdessen pausenlos damit beschäftigt war, anderer Leute Probleme zu lösen. Aber dann ließ ich es bleiben. Ich dachte daran, wie ich einmal einen Fahrerflüchtigen gestellt hatte, der gerade eine Mutter mit ihrem dreijährigen Sohn totgefahren hatte. Er sagte, er habe getrunken, weil es der Todestag seiner Frau sei, er habe an ihrem Grab gesessen und gesoffen. Seine Opfer hatte er auf dem Rückweg vom Friedhof überfahren. Als ich die Polizei anrief, fing er an zu heulen, nicht wegen der Mutter oder wegen des kleinen Jungen, nicht einmal wegen seiner Frau, sondern seinetwegen, wegen seines eigenen erbärmlichen Lebens voller Alkohol und Selbstmitleid. Nach dem Tod meiner Tochter hatte ich es genauso gemacht. Erst hatte ich gesoffen, um den Schmerz abzutöten, dann hatte ich gesoffen, um mir den Schmerz zu erhalten, und irgendwann war der Schmerz nur noch die Entschuldigung dafür, um weitersaufen zu dürfen und nichts mehr spüren zu müssen, weder Schmerz noch sonst irgendetwas.
»Du hast Recht«, sagte ich. »Das ist nicht zu entschuldigen. Ich nehme an, ich werde heute noch vor Gericht gestellt?«
Fiona Reed sah mich mit einem Blick an, als wäre ich gerade aus der Gosse gekrochen. Dave stand auf, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand neben den Kassettenrecorder und fuhr sich mit der Hand über das kurz geschorene Haar. Er war ziemlich bleich und hatte rote Augen. Eigentlich sah er so aus, wie ich mich fühlte.
Reed sah ihn an und sagte: »Also los.«
Dave drückte auf die Aufnahmetaste des Kassettenrecorders.
»Verhörzimmer 2, Polizeirevier Seafield, 22. Juli. Anwesend sind Detective Inspector Reed und Detective Sergeant Donnelly. Das Verhör von Edward Loy beginnt um 9 Uhr 45.«
»Habe ich etwa jemanden überfahren?«, fragte ich. Ich war vergleichsweise sicher, dass das nicht der Fall war, aber ich wollte zumindest wieder ein bisschen mehr Kontrolle über die Situation haben.
Dave setzte sich wieder und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Er drückte den Mund an die Fäuste, dann legte er das Kinn darauf. Er wollte etwas sagen, hielt dann aber inne und sah DI Reed an. Sie nickte.
»DS Donnelly beginnt das Verhör mit Mr. Loy. Können Sie uns schildern, was Sie taten, nachdem Sie gestern Abend Hennessy’s Pub verlassen haben?«
»Ich war bei Linda Dawson in Castlehill. Dort war ich etwa eine halbe Stunde, vielleicht auch länger.«
»Was für eine Beziehung unterhalten Sie zu Mrs. Dawson?«
Mrs. Dawson.
»Sie hat mich beauftragt, ihren Mann zu suchen.«
»In welcher Funktion hat sie Sie damit beauftragt?«
»Als Privatdetektiv.«
»Haben Sie eine Lizenz, um in diesem Rechtsbezirk als Privatdetektiv zu arbeiten?«
»Nein.«
»Aber Sie haben sich vor Mrs. Dawson als Privatdetektiv ausgegeben?«
»Sie wusste bereits, dass ich diese Tätigkeit in den USA ausübe.«
»Dann würden Sie Ihre Beziehung zu Mrs. Dawson also als rein beruflich einstufen?«
»Was soll das alles? Geht es Linda gut?«
»Bitte beantworten Sie die Frage.«
»Ich denke schon.«
»Das heißt, Sie sind sich nicht sicher?«
»Das heißt, dass ich sie erst vor zwei Tagen bei der Beerdigung meiner Mutter wieder gesehen habe, zum ersten Mal seit zwanzig Jahren. Es ist ein bisschen verfrüht, überhaupt von einer ›Beziehung‹ zu sprechen. Geht es Linda gut? Sonst …«
»Was haben Sie getan, nachdem Sie Mrs. Dawsons Haus verlassen hatten?«
»Ich bin den Hügel runtergefahren und in die Polizeikontrolle geraten.«
Fiona Reed hatte die Lippen gespitzt. Auch ihre grünen Augen waren
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