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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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kommt ein Stacheldrahtzaun, der keine allzu große Herausforderung darstellt – vorausgesetzt, man hat sich beim Aufstieg nicht zu viele Schwielen und Verletzungen an den Händen zugezogen. Dann muss man nur noch ein paar beinharte Meter überwinden, und wenn man es dann noch schafft, sich durch eine Hecke zu zwängen, die fast nur aus Weißdorn und Stechpalme besteht – wenn man genau hinschaut, entdeckt man hier und da ein bisschen Lorbeer –, ist man auch schon in Linda Dawsons Garten, man hat keinen Alarm ausgelöst, und Immunicate hat keine Ahnung, dass man da ist.
    Der Garten nützt natürlich wenig, wenn man eigentlich in Peter Dawsons Arbeitszimmer will, und selbst wenn man weiß, wie man Schlösser aufbricht und Fenster einschlägt, läuft man doch Gefahr, dabei die hauseigene Alarmanlage auszulösen. Viel Zeit bleibt einem also nicht. Aber vielleicht braucht man gar nicht so viel Zeit: Der Informant bei der Polizei hat einem ja bestätigt, dass Peter Dawsons Computer noch unberührt an seinem Platz steht, und es ist eine Sache von wenigen Minuten, sich die weiße kugelförmige CPU zu schnappen, den Ersatzautoschlüssel vom Haken in der Küche und eine Fernbedienung für das Tor aus dem Flurschrank zu nehmen und sich längst versteckt zu haben, wenn der Wagen von Immunicate kommt, wobei man sogar noch vermieden hat, von Lindas schwammigem, braun gebranntem Nachbarn entdeckt zu werden.
    Dann braucht man nur noch zu warten, bis der Wagen wieder weg ist, um dann das Tor zu öffnen und mit Lindas rotem Audi Cabrio den Hügel hinaufzufahren. Der Wagen ist längst nicht mehr zu sehen, aber man folgt seinem Instinkt – dem folgt man immer, das bringt der Job so mit sich, und den Job kann man nur machen, wenn sich der Instinkt von Zeit zu Zeit auszahlt. Diesmal zahlt er sich aus, denn man kommt gerade rechtzeitig oben an, um den Immunicate-Wagen hinter den schweren, schwarzen Metalltoren des Hauses von John und Barbara Dawson verschwinden zu sehen.

Fünfzehn
    Das Schlimmste an einem katholischen Begräbnis in Irland ist nicht der Tag selbst, sondern der Abend davor, wenn die sterbliche Hülle in die Kirche gebracht wird. Dann wird die Trauer, die bisher ein ganz privater Schmerz war, zum ersten Mal öffentlich; die Wunde klafft noch, und man weiß nicht, wie ihr die Luft bekommen wird. Als ich ein paar Tage zuvor in dieser Kirche am Sarg meiner Mutter stand, hatte ich die ganze Zeit die Zeile von den Lebenden und den Toten aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis im Kopf, als wäre das die einzig wichtige Unterscheidung, und Licht und Luft umbrandeten mich wie einen Schiffbrüchigen das sturmgepeitschte Meer.
    Jetzt stand Linda Dawson am Sarg ihres Mannes, inmitten ihres eigenen Sturms. Sie war sehr rot im Gesicht, und als ich an der vorderen Sitzreihe vorbeiging, wirkte sie auf mich wie ruhig gestellt. Ich kondolierte ihr leise, und sie sah mich ohne ein Zeichen des Erkennens an. Barbara Dawson dankte mir für mein Kommen. Sie hatte verschwollene Augen, auberginefarbene Lippenstiftspuren an den Zähnen und sah aus, als stünde sie kurz vorm Durchdrehen. John Dawson, in dunkelblauem Anzug und gestärktem weißem Hemd, fasste mich mit altersfleckiger Hand am Unterarm. Seine rot gescheckten Wangen waren feucht, und er sperrte in offenkundiger Freude den Mund auf.
    »Edward Loy«, sagte er, als hätte er nur auf mich gewartet. Dann sagte er noch einmal: »Edward Loy«, und wiederholte meinen Namen, bis seine Frau seine Hand von meinem Arm löste und mich sanft am Ellbogen weiterschob. Ich drehte mich um und sah, dass Linda mir nachschaute. An ihrem leeren Blick hatte sich nichts geändert, aber immerhin hatte ich jetzt das Gefühl, dass sie mich wahrnahm.
    Im Mittelgang drängten sich die Menschen, die ihr Beileid bekunden wollten: Leute aus dem Ort, von denen viele schon bei der Beerdigung meiner Mutter gewesen waren, aber auch ein paar auffallend gut gekleidete Schickeriatypen, die wohl zum goldenen Zirkel der Stadtplaner und Bauunternehmer gehörten, und mehr als eine Hand voll Schaulustiger, die die Gelegenheit nutzen wollten, einen Blick auf den bekanntermaßen einsiedlerischen John Dawson zu erhaschen. Er sah älter aus, als er war, dachte ich, alt auf eine Weise, die wenig mit dem tatsächlichen Alter zu tun hat. Die Kleider hingen ihm locker am Körper, seine Stirn war von Falten überzogen, die kleinen Augen blickten erschöpft, ihr Glanz war fast erloschen. Vielleicht war er krank, oder das Leben hatte

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