Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
zu jedem auch eine passende Persönlichkeit gehört. Das Problem ist: Sie wissen nicht, wer ich bin. Sie haben nämlich einen Privatdetektiv beauftragt, und bei einem Privatdetektiv will kein Mensch wissen, wer er wirklich ist. Er ist viel zu mickrig und anrüchig, viel zu billig und gewöhnlich, um auf Ihren Wohltätigkeitsbällen und schicken Abendeinladungen Eindruck zu machen, und ihm passt das ganz gut in den Kram, weil er dadurch tun kann, womit er beauftragt wurde. Nur darum geht es ihm nämlich, er ist wie ein abgerichteter Hund, er kann nicht einfach dasitzen und abschalten. Er muss herumschnüffeln, suchen, alles aufmischen, bis irgendwann die Wahrheit ans Licht kommt oder wenigstens so viel davon, dass man sich nicht darüber hinwegsetzen kann. Bisher habe ich herausgefunden, dass eine kriminelle Gang Ihren Mann über Dessie Delaney mit Heroin versorgt und er bei derselben Gang gigantische Spielschulden angehäuft hat. Was die sich für die investierte Zeit und Mühe als Gegenleistung versprochen haben, weiß ich noch nicht. Vielleicht ging es darum, ihn zu bestechen oder Sie zu erpressen. Ich weiß, dass er an einer Überdosis Heroin gestorben ist. Ich weiß nicht, wie er ins Meer gekommen ist, aber das werde ich noch herausfinden. Sein Tod steht mit mindestens zwei anderen Todesfällen in Zusammenhang, einer davon ist mein Vater. Und wenn Sie sich so darüber aufregen, dass Ihr verstorbener Mann in der Presse schlecht wegkommt, warum wenden Sie sich dann nicht an Ihren eigenen Vater? Wenn er es nicht mal schafft, eine kleine Pressekampagne zugunsten seiner verwitweten Tochter anzuzetteln, ist er entweder kein guter Vater oder kein guter Pressemagnat. Oder Superintendent Caseys Entscheidung, sich nicht zu sehr mit diesem oder mit dem Dawson-Fall zu befassen, passt den Mächtigen, mit denen ich mich angeblich anlegen darf, eigentlich ganz gut in den Kram. Und übrigens: Sie können mich gar nicht feuern. Ich arbeite weiter, bis Ihr Scheck aufgebraucht ist, und davon ist noch eine ganze Menge übrig.«
Ich machte eine Pause, um Luft zu holen, und wollte schon auflegen. Aber Aileen Williamson war schneller.
»Sie haben den Scheck noch nicht eingelöst«, sagte sie.
»Nein, noch nicht.«
»Ich habe ihn inzwischen storniert. Auf Wiederhören, Mr. Loy.«
Damit legte auch sie auf. Schien ein neuer Trend zu sein: auflegen, wenn man mit mir telefonierte. Allein an diesem Morgen waren es drei Leute, dabei war es noch nicht mal zehn. Inzwischen stapelten sich die Leichen – aber Gott behüte, dass mir irgendwer half, die Gründe dafür herauszufinden. Letztlich war es egal, dass ich keinen Auftraggeber mehr hatte. Mein Interesse an der Sache ging längst über einen Auftrag hinaus. Es war Zeit, nicht mehr darauf zu warten, dass der Fall sich von allein löste. Es war Zeit, den Laden ein bisschen aufzumischen.
Ich wählte noch eine Nummer.
»Wer ist da, und was wollen Sie?«
George Halligan hatte einen schneidenden Dubliner Tonfall mit leicht drohendem Unterton, gereift in Whisky, Zigaretten und beiläufigen Grausamkeiten.
»Hier ist Ed Loy«, sagte ich. »Du wolltest mich doch zum Mittagessen einladen.«
* **
Eigentlich hätte man Podge und George Halligan als Nachbarn bezeichnen können. Aber die sechs Anwesen, aus denen die exklusive Wohnsiedlung Redlands, wo die Brüder wohnten, bestand, hatten Gärten von den Ausmaßen eines Fußballfelds, und überall standen breitblättrige Laubbäume. Es war also nicht nur sehr unwahrscheinlich, das Paar nebenan streiten zu hören – man lief nicht einmal Gefahr, ihm überhaupt zu begegnen. Das Grundstück hatte ursprünglich dem Golfclub gehört, der es vor zehn Jahren verkauft hatte, als ihn die Unternehmenssteuern, die er bis dahin umgangen hatte, schließlich doch noch einholten. Die Baubranche lag damals praktisch brach, deshalb hatte es wegen der Umnutzung keine großen Scherereien gegeben.
Wir saßen an einem schwarzen Glastisch auf einer schwarzen Marmorterrasse im Schatten der Linden. Eine junge Südamerikanerin, die ganz ähnliche Dienstkleidung trug wie die Filipina bei Aileen Williamson, servierte Champagner und Orangensaft. Dann erschien eine osteuropäische Blondine, die wie eine herbere Schwester von Grace Kelly aussah. George stellte sie mir als »eine meiner Ehefrauen« vor; sie kicherte pflichtschuldigst über seine verschiedenen anzüglichen Bemerkungen. George zählte fünfzehnhundert Euro aus einem Geldschein-Clip aus Platin ab, und sie
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