Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
sagte ich.
»Angenommen«, erwiderte er ernst und erlaubte sich dann ein Grinsen, das die bedrohliche Atmosphäre, die er so plötzlich aufgebaut hatte, allerdings kaum beseitigte. Er hatte eindrucksvoll demonstriert, dass sich der Unterschied zwischen ihm und seinen Brüdern letztlich auf Äußerlichkeiten beschränkte. George Halligan schnitt den Kopf einer langen Cohiba ab, hielt sie sich unter die Nase und schnupperte daran. Sie machte ein scharrendes Geräusch an seinem Schnurrbart, wie ein kleines Tier hinter einer Gipswand. Ich dachte darüber nach, ihm die Zigarre in die Nase zu rammen. Das wäre eine nette Einlage gewesen, aber mit dem Fall brächte es mich auch nicht weiter.
»Ich soll also für dein aufstrebendes Immobilienimperium zuständig sein, George?«
»Genau das habe ich mit dir vor, Ed. Im Augenblick haben wir Wohnungen, ein paar Pubs, diverse Geschäftsräume, ein kleineres Bürohaus. Aber jetzt steigen wir in die Baulandentwicklung ein: Parzellen aufteilen und lange genug halten, entsprechende Nutzungszonen daraus machen, sie im richtigen Moment wieder auf den Markt werfen. Das ist leicht verdientes Geld … ganz legal.«
»Und meine Rolle wäre …?«
»Ich will, dass du mir Investorenkonsortiums zusammenstellst … -konsortien. Die ganzen netten Jungs, mit denen du auf der Schule warst, Zahnärzte und Rechtsanwälte. Rechtschaffene Bürger mit massig Geld, die noch ein bisschen mehr dazuverdienen wollen. Früher bin ich auch ohne diese Wichser klargekommen. Aber um auch in Zukunft klarzukommen, muss ich sie mit ins Boot zu holen.«
George zündete sich die Zigarre an, stieß einen Schwall Rauch aus und zwinkerte mir zu. Und ich hatte plötzlich die Nase gestrichen voll von George Halligan, seinen verstiegenen Vorstellungen von ehrlichen Geschäften, seinen beiläufigen Drohgebärden und seinem Phantasieleben, das er aus einem Robert-Palmer-Video abgesehen hatte.
»Und der Golfclub steht ganz oben auf der Liste, was?«, sagte ich. »Das Grundstück, dessen Umnutzung du mit Peter Dawson durchdrücken wolltest. Wie sieht’s denn damit aus, jetzt, wo Dawson tot ist?«
Das Grinsen gefror auf George Halligans Miene, und seine kohlschwarzen Augen bohrten sich in meine.
»Du willst gleich Tacheles reden, was? Gutes Zeichen, Ed, das beweist Einsatz. So ein Gespräch hat allerdings einen Haken: Hochsensible Geschäftsinformationen kann ich nur mit Angestellten besprechen.«
»Und ich kann keinen Job annehmen, ohne ein paar Details zu kennen, George. Du kannst ja deinen Anwalt dazuholen, wenn es dich beruhigt.«
George überlegte kurz.
»Vielleicht. Ach was. Vertrauen ist das Wichtigste. Und du weißt ja, was für Konsequenzen ein Vertrauensbruch haben würde. Oder?«
»Und ob«, sagte ich.
»Gut so«, sagte George. »Nur auf Vertrauen können wir bauen.«
Er rührte den Orangensaft mit einem langen silbernen Cocktaillöffel um und hob sein Champagnerglas. Ich leerte meines, er nahm es mir ab und schenkte Champagner und Orangensaft nach.
»Auf die Zukunft, Ed«, sagte er.
»Auf die Zukunft«, wiederholte ich.
Wir tranken. George nahm seinen Champagner immer noch ohne Saft. Offenbar vertrug er mehr als ich. Vielleicht lag es auch an der Hitze, aber ich fühlte mich schon leicht benebelt.
»Dann gibt es sicher bald eine Stadtratssitzung?«, fragte ich.
»Am Freitag.«
»Und du bist zuversichtlich, dass sie in deinem Sinne verläuft?«
»Wie meinst du das?«
»Du bist zuversichtlich, dass die Umnutzung des Golfclubs zur großflächigen Bebauung genehmigt wird?«
»Im Geschäftsleben braucht man Zuversicht, Ed. Das weißt du genau.«
»Dann warst du also auch Peter Dawsons Geschäftspartner bei Courtney Estates? Du wirst ihm ja wohl nicht nur zum Spaß das Geld gegeben haben, um die Stadträte zu bestechen, oder?«
»Warum hätte ich Peter Dawson Geld geben sollen? Glaubst du, er konnte seine Stadträte nicht selbst bestechen? Die Dawsons sind nicht gerade arm, falls du’s noch nicht gemerkt hast.«
»Irgendwer hat Peter Dawson eine Menge Geld abgeknöpft, ihn richtiggehend ausgenommen. Um das Geschäft durchziehen und die entsprechenden Stadträte für sich zu gewinnen, hat er Bargeld gebraucht. Und an dieses Bargeld kam er nicht so einfach ran.«
George musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Mir war heiß, und meine Kehle fühlte sich ganz trocken an. Ich trank noch einen Schluck Mimosa. Ich hatte Durst, aber eigentlich durfte ich nicht mehr weitertrinken. Was hatte das
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