Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
Blick an, ohne Scham für die Vergangenheit, voller Bereitschaft für das, was noch entstehen konnte. Ich war dreiundvierzig und konnte schon froh sein, überhaupt noch eine Frau zu finden, geschweige denn eine, die so viel zu bieten hatte. Unfähig, ihrem Blick standzuhalten, sah ich weg und murmelte etwas von Duschen.
Ich stand so lange wie möglich unter dem heißesten Wasser, das ich ertragen konnte, bis mein Körper langsam vergaß, was man ihm angetan hatte. Dann drehte ich den kalten Hahn auf, bis mein ganzer Kopf taub und das Pochen in den Schläfen schwächer war.
Als ich aus dem Bad kam, telefonierte Linda gerade.
»Könnten wir eine Flasche Wodka haben? Stoli oder Absolut. Und einen Krug frisch gepressten Grapefruitsaft, Eiswürfel und Zitronen, bitte? Zimmer 146, Dawson. Vielen Dank.«
Ich trank einen großen Schluck vom restlichen Bier, und Linda fing an zu erzählen.
»Sie lassen Podge nicht ins Haus. Aber George darf rein. George Halligan plaudert mit Barbara, trinkt Johns Scotch und benimmt sich, als würde das Haus ihm gehören. Nach allem, was ich weiß, ist das auch so. Und Podge lungert draußen mit seiner Schlägertruppe herum. Sie hocken in ihren Vans, rauchen und brüllen sich gegenseitig an.«
»Was soll das, Linda?«, fragte ich. »Was haben die Dawsons mit den Halligans zu schaffen?«
»Ich glaube, es hat alles mit Peter angefangen. Peter brauchte Hilfe, und anstatt sich an seinen Vater zu wenden, hat er George Halligan gefragt. Das Golfclub-Gelände gehört John Dawson. Er hat es Peter geschenkt. Zumindest war es als Geschenk gedacht, aber irgendwie ist dann ein Test draus geworden.«
»Wie meinst du das?«
»Ich glaube, John hatte Mitleid mit Peter, weil der immer so verzweifelt versucht hat, ihn zu beeindrucken. John wollte ihm klar machen, dass das gar nicht nötig ist, aber Barbara hat ihm natürlich ständig unter die Nase gerieben, dass er ein Versager ist und seinem Vater nicht das Wasser reichen kann. Deshalb wollte John, dass Peter den Golfclub bekommt. Damit er sich beweisen kann. Barbara sollte das gar nicht erfahren, aber irgendwie hat sie es doch herausbekommen. Und dann hat sie gesagt, das ist seine letzte Chance, wenn Peter es diesmal nicht hinkriegt, ist sie fertig mit ihm.«
»Und das hieß was? Dass er dann keine Stelle mehr haben würde? Oder wollte sie ihn verstoßen?«
»Vielleicht beides. Vielleicht auch keins von beidem. Barbara hat eine Art zu streiten, als ginge es um Leben und Tod. Sie weint, kriegt Tobsuchtsanfälle, knallt mit den Türen, die ganze Joan-Crawford-Nummer. Manchmal hat sie den Spieß auch umgedreht, sich bei Peter entschuldigt, ihn angefleht, ihr zu vergeben. Das war noch viel furchtbarer. Und kurz danach hat sie schon wieder auf ihm rumgehackt. Es konnte also wirklich alles heißen. Aber Peter hat es sich sehr zu Herzen genommen. Diesmal wollte er es wirklich schaffen.«
»Hat er dir das gesagt?«
»Ja. Es war seine letzte Chance. Und ich glaube … ich weiß … dass er gehofft hat, es würde auch eine letzte Chance für uns sein.«
»Wäre es das denn gewesen? Oder stehst du seinem Vater so nahe, dass das sowieso nicht funktioniert hätte?«
Lindas Lippen bebten vor betroffenem Staunen, und ich dachte, sie würde in Tränen ausbrechen. Sie sah mich an wie einen Betrüger. Das war ich auch, schon seit ich Geld von ihr genommen und mich in sie verliebt hatte und mir dann auch noch eingeredet hatte, ich könnte beides hinkriegen.
»Ich habe seinen Wagen zu dir fahren sehen, an dem Abend, als Peters Leiche gefunden wurde. Und du hast ausgesehen …«
»Ja, Ed? Wie habe ich denn ausgesehen? Einsatzbereit, das wolltest du doch sagen, oder? Ganz so fortschrittlich bist du wohl doch nicht: Du denkst es, aber du hast nicht den Mumm, es auszusprechen.«
»Es geht hier nicht um dich und mich, sondern um den Fall. Wenn du eine Affäre mit deinem Schwiegervater hast …«
»Denkst du wirklich so von mir?«
»Ich denke nicht. Ich stelle Fragen.«
»Gut, dann stell deine Fragen.«
Linda war rot geworden, sah mich trotzig an und war so wunderschön, dass es mir das klopfende Herz zusammenzog. Vielleicht, wenn ich in diesem Moment aufgehört, wenn ich sie in die Arme genommen hätte und den Fall Fall hätte sein lassen … vielleicht wäre sie dann noch am Leben. Aber wie hätte ich das tun können?
Der Wodka wurde gebracht. Linda trank einen Schluck pur und mixte sich dann einen Screwdriver. Sie deutete auf die Flasche, wie um zu sagen:
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