Edelherb: Roman (German Edition)
Idee von mir, aber ich will noch nicht darüber sprechen«, erklärte ich. »Als ich auf dich wartete, habe ich beschlossen, deinem Vater ein paar Aspekte davon zu erzählen, weil das Ganze auch eine rechtliche Seite hat.«
»Na, kostenlose juristische Auskunft ist er dir auf jeden Fall schuldig.« Er nahm wieder meinen Arm, und wir gingen weiter. Irgendwann kamen wir auf unsere Pläne fürs Wochenende zu sprechen.
»Win«, sagte ich. »Hättest du was dagegen, wenn wir mal zu einer Veranstaltung zur Legalisierung von Kakao gehen würden?«
»Nö … aber warum willst du da hin?«
»Hauptsächlich aus Neugier, würde ich sagen. Vielleicht möchte ich mal sehen, wie es auf der anderen Seite so ist.«
Win nickte. »Hat das irgendwas mit dem zu tun, worüber du mit meinem Vater gesprochen hast?«
»Das weiß ich noch nicht«, gab ich zu.
Als ich nach Hause kam, recherchierte ich, dass das nächste »Kakao jetzt!«-Treffen für den folgenden Donnerstagabend angesetzt war.
Mir war wichtig, dass ich nicht erkannt würde. Ich wollte mich dort umsehen, ohne mich selbst zum Thema zu machen. Noriko lieh uns Perücken und gab Schminktipps. Ich hatte glatte blonde Haare und rotgeschminkte Lippen. (Meinen Schnurrbart hatte ich natürlich in Mexiko zurückgelassen, nicht dass ich mich vor Win überhaupt in einen Schnurrbartträger hätte verwandeln wollen.) Mein Freund setzte eine Perücke mit Dreadlocks und eine Baseballkappe auf und sah damit so ähnlich aus wie damals, als er mich in Liberty besuchte.
Wir nahmen den Bus ins Zentrum zur ehemaligen Bibliothek, wo das Treffen stattfand.
Da wir ein wenig zu spät kamen, schlüpften wir hinten hinein.
Ungefähr hundert Personen waren anwesend. Ich entdeckte Sylvio Freeman, der an einem Pult vor der Versammlung stand. »Heute Abend spricht Dr. Elizabeth Bergeron zu uns über die gesundheitlichen Vorzüge von Kakao.«
Dr. Bergeron war eine blasse, dünne Frau mit einer hohen Stimme. Sie trug einen gebatikten Rock, der ihr bis zu den Knöcheln reichte. »Ich bin Ärztin«, begann sie. »Und aus diesem Blickwinkel werde ich heute Abend sprechen.« Ihr Vortrag handelte von Dingen, die Theo mir bereits in Chiapas erzählt hatte. Ich schielte zu Win hinüber, um zu sehen, ob er sich langweilte. Es sah nicht danach aus.
»Warum also«, schloss Dr. Bergeron, »ist reiner Kakao verboten, wenn er so viele Vorzüge besitzt? Unsere Regierung erlaubt den Verkauf vieler Dinge, die absolut giftig sind. Bei dem, was wir zu uns nehmen, sollten wir den gesunden Menschenverstand walten lassen und nicht die Geldbörse.«
Die Leute von »Kakao jetzt!« beeindruckten mich nicht besonders. Sie waren schlecht organisiert, ihre aufregendste Aktion schien darin zu bestehen, sich vor Regierungsgebäuden zu postieren und Flugblätter zu verteilen.
Auf dem Rückweg begann Win, vom nächsten Jahr zu sprechen. »Ich überlege die ganze Zeit, ob ich mich auf Medizin spezialisieren soll«, sagte er.
»Auf Medizin?« Davon hatte ich bisher noch nichts gehört. »Was ist denn mit deiner Band? Du hast doch so viel Talent!«
»Annie, ich sage es ja nicht gerne, aber ich bin nur Durchschnitt.« Schüchtern sah er mich an. »Unsere Band hat immer noch keinen Namen, und wenn du hier gewesen wärst, dann wüsstest du, dass wir dieses Jahr kaum gespielt haben. Zuerst wegen meiner Verletzung, und dann hatte ich einfach überhaupt keine Lust. Na ja, viele Leute, die auf der Highschool in einer Band spielen, wären besser beraten, wenn sie nicht damit ihren Lebensunterhalt verdienen wollten. Ich interessiere mich für andere Dinge, verstehst du. Ich würde nie das machen wollen, was mein Vater macht, aber ich würde gerne Menschen helfen. Diese Ärztin eben bei der Veranstaltung. Als ich ihr zuhörte, dachte ich, wie toll es wäre, das auch zu machen.«
»Was genau?«
»Menschen irgendwie helfen, indem ich sie aufkläre, keine Ahnung.« Win überlegte. »Außerdem: Falls ich mit dir zusammenbleibe, wären medizinische Kenntnisse sicherlich sehr praktisch. In deiner Nähe kommt ständig jemand zu Schaden.«
»Falls …«
Als der Bus an einer Ampel hielt, betrachtete ich Win aus dem Augenwinkel. Die Straßenlaternen beleuchteten andere Teile seines Gesichts als sonst.
Zwei Reihen hinter uns ließ sich Daisy Gogol vernehmen, die uns schon den ganzen Abend begleitet hatte: »Ich dachte auch, ich würde Sängerin werden, aber jetzt bin ich heilfroh, dass ich Krav Maga kann.«
»Danke für deine
Weitere Kostenlose Bücher