Edelherb: Roman (German Edition)
Delacroix anfangs in Führung lag, hat seine größte Herausforderin Bertha Sinclair, die Kandidatin der Unabhängigkeitspartei, seinen Vorsprung im letzten Monat auf nur noch fünf Prozentpunkte verringert. Es ist noch zu früh, um zu sagen, welchen Einfluss dieser jüngste Zwischenfall auf die Umfragen haben wird.«
»Als ob das seine Schuld ist, wenn ein Bus mit seinem Bild drauf ein Mädchen anfährt«, bemerkte Simon Green.
Eine Krankenschwester kam ins Zimmer. »Da ist ein Herr für Sie gekommen«, sagte sie zu mir. »Darf ich ihn hereinholen?«
»Ja, wir erwarten ihn.« Die Krankenschwester ging Mr. Kipling holen.
Ich setzte mich auf Simon Greens Krankenhausbett. Der ganze Tag war furchtbar frustrierend gewesen, und doch musste ich mich schon wieder in Dankbarkeit üben. Das Mädchen war in meinem Alter gewesen, und sie hatte morgens beim Aufwachen bestimmt nicht damit gerechnet, dass sie heute sterben würde.
Punkt Nummer 9 : Immerhin wurde mir nicht der Kopf von einem Bus abgetrennt.
Trotz allem musste ich lachen.
»Was ist denn so komisch?«, fragte Simon Green.
»Ich bin nur froh …«, wollte ich ihm erklären, doch er unterbrach mich. »He, das ist doch nicht Mr. Kipling!«, rief er.
Ich drehte mich um. Durch die Fensterschreibe des Krankenzimmers erblickte ich Win. Er trug seine Trinity-Uniform und winkte mir zu.
»Nur einen kleinen Moment«, sagte ich zu Simon, stand auf, glättete meinen Rock und ging nach draußen auf den Korridor.
»Du siehst ziemlich gut aus für ein Mädel, das gerade schwer verletzt wurde«, sagte Win zur Begrüßung. Sein Tonfall war locker. »Das Teil hattest du auch auf der Hochzeit deines Cousins an.«
Ich blickte auf meinen Blazer, der mit Simon Greens Blut verschmiert war. »Der ist nicht mehr zu gebrauchen.« Es wäre nicht mein erstes oder letztes Kleidungsstück, das solch ein Ende nahm. Ich reichte Win die Hand, doch stattdessen nahm er mich in die Arme. Es war eine ungelenke Geste, die meinem immer noch schmerzenden Nacken weh tat und zu lange dauerte. »Ich hab zwar in dem Bus gesessen, aber ansonsten stimmt nichts von den Meldungen«, sagte ich.
»Das kann ich sehen.«
»Warum bist du hier?«, fragte ich.
Win schüttelte den Kopf. »Ich war gerade in der Nähe, als ich das mit dem Busunfall hörte. Ich wollte bloß sichergehen, dass du nicht im Sterben liegst. Wir sind doch immer noch Freunde, Anya, oder?«
Ich wusste nicht, ob wir Freunde waren. »Wo ist deine Freundin?«
Er sagte, sie warte unten im Eingangsbereich.
»Und es stört sie nicht, dass du hier bist?«
»Nein, Allie weiß, dass du mir wichtig bist.«
Allie.
Ersetzte man die beiden L durch zwei N, war es so, als hätte es mich nie gegeben. »Du wärst besser nicht hier«, sagte ich zu Win.
»Warum nicht?«
»Weil …« Ich konnte mich nicht überwinden, alle Gründe aufzuführen. Weil wir nicht mehr zusammengehörten. Weil es mir weh tat, in seiner Nähe zu sein. Weil ich das seinem Vater versprochen hatte. Weil sein Vater in der Lage war, mir große Schwierigkeiten zu bereiten, wenn ich mich nicht an mein Wort hielt.
»Anya, wenn du glaubtest, ich würde sterben, würdest du dann nicht kommen?«, fragte Win.
Ich dachte länger über diese Frage nach, da traf Mr. Kipling ein. Als er Win erblickte, war er mehr als verblüfft. »Was machst
du
denn hier?«, fuhr er ihn an.
»Ich gehe ja schon«, sagte Win.
»Pass auf, auf welchem Weg du verschwindest, mein Sohn«, mahnte Mr. Kipling. »Die Paparazzi sind schon da. Wahrscheinlich lauern sie auf ein Foto der verletzten Anya Balanchine, aber ich wette, sie würden sich auch mit einem Bild vom Sohn des stellvertretenden Staatsanwalts zufriedengeben. Und weißt du, wonach sie wirklich ganz verrückt sind? Nach einem Bild von Anya und dir zusammen.«
Win erwiderte, als er im Frühjahr im Krankenhaus gelegen hätte, sei ihm ein geheimer Ausgang verraten worden, den würden Alison und er nun nehmen. »Keiner wird erfahren, dass ich hier war.«
»Gut. Mach das. Aber sofort«, befahl Mr. Kipling. »Anya, ich sehe jetzt nach, wie es Simon geht, aber ich möchte nicht, dass du ohne mich nach Hause gehst. Ich werde dich begleiten und vor den Reportern schützen.«
Mein Anwalt ging in Simons Zimmer, und Win verweilte noch kurz im Korridor. Er drückte den Rücken durch und nahm meine Hand in seine. »Ich bin froh, dass es dir gutgeht«, sagte er seltsam förmlich.
»Hm, gut. Und ich bin froh, dass … dass du froh bist.«
Er ließ
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