Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
Vom Netzwerk:
dann. »Aber ich liebe ihn trotzdem. Alles Liebenswerte in dieser Welt ist schwierig.« Er gab einer Frucht einen dicken Schmatzer.
    Ich entfernte mich von ihm, ging durch eine Baumreihe, suchte jede Pflanze nach Zeichen von Pilzbefall ab. Es war nicht mehr sehr hell, daher war das nicht so einfach. »Da!«, rief ich, als ich schließlich eine Frucht entdeckte. »Gib mir mal deine Machete!«
    Theo reichte sie mir. Ich ahmte die schnelle, schwungvolle Bewegung nach, die ich bei ihm gesehen hatte, und der Schnitt wurde einigermaßen glatt, wie ich fand.
    »Schon besser«, sagte Theo, aber begradigte ihn dennoch.
    Wir liefen weiter über die Plantage. Ich suchte nach Anzeichen von Monilia, zeigte sie Theo, und er schnitt die Früchte ab. Theo nahm den Kakao sehr ernst und redete viel weniger als am Vortag, als er mich nach Granja Mañana gefahren hatte. Er war ein ganz anderer Mensch auf der Farm, und ich empfand den Umgang mit diesem Theo viel leichter, als er es mit dem Jungen im Pick-up gewesen war. Als wir uns dem Bereich näherten, wo der Regenwald wuchs, wurde es zunehmend dunkel und feucht. Es war sonderbar, dass diese Bäume, diese seltsamen, blühenden Bäume, so viele Probleme in meinem Leben hervorgerufen hatten, ohne dass ich je zuvor auch nur ein Bild von ihnen gesehen hatte.
    Drei Stunden später hatten wir erst einen sehr kleinen Teil der Plantage besichtigt, aber Theo sagte, wir müssten zum Essen gehen.
    »Theo«, begann ich, »ich habe eben etwas nicht verstanden, was du gesagt hast.«
    »Was denn?«
    »Du hast gesagt, Kakao wäre illegal geworden, weil er nur sehr schwer anzubauen ist.«
    »Ja. Das stimmt.«
    »Da, wo ich herkomme, wird uns etwas anderes erzählt«, erklärte ich ihm. »Uns wird erzählt, dass der Hauptgrund für das Verbot von Kakao darin besteht, dass er ungesund ist.«
    Theo blieb stehen und sah mich ungläubig an. »Anya, wo werden denn solche Lügen erzählt? Kakao ist nicht ungesund! Ganz im Gegenteil! Es ist gut fürs Herz, für die Augen, für den Blutdruck, für so gut wie alles.«
    Er bekam einen roten Kopf, und ich befürchtete, ihn beleidigt zu haben, deshalb ruderte ich zurück. »Ich meine, es ist doch wohl etwas komplizierter. Uns wird beigebracht, dass die großen amerikanischen Nahrungsmittelhersteller unter Druck gesetzt wurden, nicht länger so ungesunde Lebensmittel zu produzieren, deshalb einigten sie sich darauf, die Schokoladenproduktion einzustellen – ein Zugeständnis. Der Grund dafür war, dass Schokolade total reichhaltig ist, eine Kalorienbombe, dass sie süchtig machende Bestandteile enthält, von daher … Also, letzten Endes wendete sich die Öffentlichkeit gegen Schokolade. Man hielt sie für gefährlich. Mein Vater hat immer gesagt, es lag an einer Vergiftungswelle, sie hätte eine Panik ausgelöst …« Ja, das hatte Daddy gesagt. Während des Dramas mit Gable Arsley hatte ich nicht daran gedacht. »Das hätte erst zur strengen Regulierung von Kakao als Heilmittel geführt, dann zum endgültigen Verbot.«
    »Anya, bei uns wissen schon die kleinsten Babys, dass die vergiftete Schokolade eine Falle der reichen Männer war, denen die Nahrungsmittelfirmen gehörten. Die Schokoladenproduktion wurde eingestellt, weil Kakao so schwer anzubauen und zu transportieren ist und weil der Nachschub immer teurer wurde. Es fiel den Herstellern nicht schwer, aus dem Kakaogeschäft auszusteigen, da es sich unterm Strich nicht für sie rechnete. Es ging um
dinero
. Es geht immer nur um
dinero
. So einfach ist das.«
    »Gar nicht«, sagte ich leise. Trotzdem fragte ich mich, ob das möglich war. War es möglich, dass Schokolade gar nicht gefährlich war, nicht mal ungesund? War das, was mir in der Schule beigebracht worden war, nur Propaganda gewesen? Eine aus opportunistischen Halbwahrheiten zusammengeflickte Geschichte? Und falls das stimmte: Warum hatte Daddy mir das nie erzählt? Oder Nana?
    Theo schnitt eine Frucht von einem Baum. »Guck mal, Anya, diese hier ist reif.« Er legte sie auf den Boden und zerteilte sie mit einem stumpfen Schlag seiner Machete. In der Frucht befanden sich ungefähr vierzig weiße Bohnen, säuberlich angeordnet in Reihen und Spalten. Die Fruchthälfte hob Theo auf und hielt sie mir auf seinem Handteller hin. »Schau mal hinein«, flüsterte er. »Das sind nur Bohnen, Anya, aber wie du und ich sind sie von Gott gemacht. Kann es etwas Natürlicheres geben? Etwas Perfekteres?« Mit dem kleinen Finger löste er geschickt eine

Weitere Kostenlose Bücher