Edelherb: Roman (German Edition)
gegen seine raue Handfläche. »Nicht mehr lange, dann hast du so schöne Schwielen wie ich.« Er klatschte mich ab.
Ich missbrauchte den Namen des Herrn. »Das tut weh!«, schrie ich.
Theo fand das alles zum Piepen. »Ich wollte deinen Schwielen nur ein bisschen auf den Weg helfen«, sagte er.
»Na, das ist aber lustig. Du bist manchmal ein ganz schöner Blödmann, weißt du das?« Ich löste mich von ihm. Seit dem Zwischenfall mit seiner Großmutter übertrieb Theo es gelegentlich damit, mir zu demonstrieren, wie wenig er von mir wollte.
Er legte mir die Hand auf die Schulter.
Ich schüttelte sie ab. »Lass mich in Ruhe.«
»Perdóname.«
Er fiel auf ein Knie. »Vergib mir.«
»Siesta-Saison oder nicht – diese Arbeit ist nicht leicht, Theo.«
»Das weiß ich«, sagte er. »Ja, das weiß ich sehr gut. In anderen Ländern werden diese Felder von kleinen Kindern bewirtschaftet. Die Eltern verkaufen sie für so gut wie nichts an die Bauern. Ich sage dir, das widert mich an, Anya. Wenn daher mein Kakao etwas mehr kostet, weil ich erwachsenen Arbeitern richtige Löhne zahle, dann finde ich, ist es das wert. Durch exzellente Arbeit entsteht ein exzellentes Produkt. Mein Kakao schmeckt besser, und ich kann erhobenen Hauptes in die Kirche gehen, verstehst du?«
Mit leiser Stimme fragte ich, ob er wüsste, welchen Kakao die Balanchines verwendeten.
»Nicht meinen«, erwiderte er. »Ganz genau weiß ich nicht, welche Sorte deine Familie benutzt, aber die meisten illegalen Schokoladenmarken müssen den billigsten Kakao nehmen, den sie kriegen können. So ist das, wenn man auf dem Schwarzmarkt tätig ist.«
Theo war zu freundlich, um auszusprechen, was diese Situation in Bezug auf die Schokolade meiner Familie wahrscheinlich bedeutete.
»Ich habe deinen Vater einmal getroffen«, sagte Theo. »Er kam nach Granja Mañana, um mit meinen Eltern über eine Umstellung auf unseren Kakao zu sprechen. Meine Eltern gingen davon aus, dass er das in die Tat umsetzen würde. Ich weiß noch, dass Mama und Papa schon Ausschau nach mehr Anbaufläche hielten, die sie dazukaufen wollten. Zulieferer von Balanchine Chocolate zu werden hätte viel Geld für unsere Familie bedeutet. Doch ungefähr einen Monat später hörten wir, dass Leo Balanchine gestorben war, und damit war das Geschäft hinfällig.«
Theo hatte meinen Vater gekannt! Ich senkte meine Machete. »Kannst du dich an irgendwas erinnern, was mein Vater gesagt hat?«
»Es ist sehr lange her, Anya, aber ich weiß noch, dass er mir erzählte, er hätte einen Sohn in meinem Alter.«
»Mein Bruder Leo. Er war damals schon ziemlich krank.«
»Wie geht es ihm jetzt?«, fragte Theo.
»Besser«, sagte ich. »Viel besser. Yuji Ono meinte sogar, Leo sei verliebt.« Ich verdrehte die Augen.
»Glaubst du das nicht?«
Ich hatte keinen Grund, Yuji Ono nicht zu glauben. Es war etwas anderes. In den vergangenen Monaten war mir klargeworden, wie wenig ich Leo kannte. Ich hatte immer versucht, ihn zu schützen, doch dadurch hatte ich ihn nicht unvoreingenommen sehen können. Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn es stimmt, freue ich mich für ihn.«
»Schön für dich, Anya. Die Welt braucht mehr Liebe, nicht weniger. Apropos, ich möchte dich gerne in die Fabrik mitnehmen, damit du sehen kannst, was für Schokolade wir für den Valentinstag produzieren. In unseren Betrieben kommt jetzt die arbeitsreichste Jahreszeit.«
Ich fragte, warum sie Schokolade für den Valentinstag herstellten.
»Soll das ein Witz sein, Anya? Wir produzieren Schokoherzen, Pralinenschachteln und alles Mögliche! Was macht man denn in deinem Land am Valentinstag?«
»Nichts. Das ist eigentlich kein besonders beliebter Feiertag mehr.« Mir fiel ein, dass Nana mir erzählt hatte, früher sei der Valentinstag viel wichtiger gewesen.
Theo stand der Mund offen. »Also keine Schokolade? Keine Blumen? Keine Postkarten?
Nada?
«
Ich nickte.
»Wie traurig. Wo ist die Romantik geblieben?«
»Romantik gibt es bei uns durchaus noch, Theo.«
»Du meinst deinen Win?«, neckte er mich.
»Ja, genau. Er ist sehr romantisch.«
»Ich muss diesen Casanova unbedingt kennenlernen, wenn ich nach New York komme.«
Ich fragte ihn, wann er das beabsichtige.
»Bald«, sagte er. »Sobald du aufbrichst, folge ich dir.«
»Und was ist mit der Plantage und den Fabriken?«
»Hier? Die laufen von selbst. Das können zur Abwechslung auch mal meine Schwestern und mein Bruder erledigen.« Theo lachte. »Halt dich bereit für
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