Edelmann und Satansfreund
war etwas entstanden, für das es keine logische Erklärung gab.
Dort bewegten sich Schatten. Licht und Dunkelheit wechselten sich in einem tanzenden und zuckenden Spiel ab. Sie hauchten der Mauer oder Wand ihr Leben ein. Manchmal, aber nur für Sekunden, wirkte sie so, als wäre in ihr ein Bild entstanden, das jedoch sehr bald wieder verlosch, so daß die Mauer wieder normal aussah.
Aber die darin wohnende Kraft wirkte weiter. Sie stemmte sich gegen das Gefängnis. Beim nächsten Versuch sah die Wand schon wieder anders aus. In ihrem Gefüge war eine Gestalt zu sehen, die wie ein mittelalterliches Gemälde wirkte.
Unheimlich, bedrohlich. Scharf in den Umrissen zu sehen. Ein Körper, ein Gesicht, das von einem Helm verdeckt wurde, ein rotes Tuch entlang der Hüften, und ein gezücktes Schwert.
Die Gestalt bewegte sich. Sie lief tänzelnd nach vorn, und allmählich erhellte sich ihre Umgebung. Je dichter die Wolken am Himmel wurden, je mehr die Dämmerung über den Himmel floß und dieses graue Zwielicht verstärkte, um so klarer malte sich die Gestalt in der Mauer ab.
Umgeben von zwei Pyramiden aus Gebeinen stand sie dort, das rechte Bein nach vorn gestreckt, das linke leicht zurückgedrückt. Wie zum Sprung.
Und sie sprang.
Urplötzlich, lautlos, wie ein Schatten, der zuckte. Für einen Moment erhellte sich genau die Stelle in der Wand, wo die Gestalt ihr Gefängnis verließ, dann war sie draußen.
Der Ritter stand auf dem Burghof.
Er blickte sich um und mußte sich dabei auf der Stelle drehen.
Der Burghof war leer – menschenleer.
Aber der Wind, der plötzlich einfiel wie der böse Atem aus dem Rachen eines Untiers, wehte noch einige Papierfetzen aus dem Abfallkorb neben dem Kiosk und trieb sie über den Hof.
Rudolf von Zavelsreuth drehte sich um. Noch war das Bild in der Wand nicht verschwunden. Die beiden Pyramiden standen so da, wie er sie im Laufe der langen Jahrhunderte geschaffen hatte, aber sie sollten wachsen, höher und größer werden.
Noch in der folgenden Nacht würde er über die Menschen kommen wie ein Ungewitter. Sein Schwert sollte die blanke Farbe verlieren und im Blut der Opfer rot schimmern.
Er war wieder da. Er würde es ihnen zeigen. Und vor allen Dingen der Frau, die sein letzter Nachkomme war. Sie war für ihn wichtig. Er wollte sie nicht töten, nur entführen und zunächst einmal für sich behalten.
Denn sie gehörte nicht in diese Welt, sondern in die seine. Er hatte bereits einige Vorstöße unternommen. Sie mußte gewarnt sein. Vor allen Dingen die letzte Begegnung, als sie hier auf dem Burghof gelegen hatte, hätte ihr zeigen müssen, was er wollte. Es war noch nicht die richtige Zeit gewesen, sie mitzunehmen. Er hatte noch warten müssen.
Jetzt war er bereit.
Trotz einiger Widerstände, denn er wußte auch, daß sich Hildegard von Zavelsreuth Hilfe geholt hatte. Ein Mann, ein gefährlicher Mann. Der Ritter wußte es.
Bisher hatte er noch jeden Widerstand überwunden, und er würde auch die Frau finden. Er wußte alles von ihr, wo sie lebte, was sie tat, und er wußte auch, daß er jetzt die Macht über sie hatte.
Rudolf von Zavelsreuth verließ den Burghof. Als er durch den Torbogen schritt und nach vorn schaute, wobei er auch den Himmel sah, hörte er in der Ferne ein tiefes Grollen.
So kündigt sich ein Gewitter an.
Es paßte alles zusammen. Der Wind, der Donner, die immer näherkommende Düsternis und der Tod…
***
Ein Ruck, ein tiefer Fall, dann der Aufprall und der leise Schrei, der ihm folgte.
Charlie Korn riß die Augen auf und wußte zunächst einmal nicht, wo er sich befand.
Er schaute nach vorn, er sah in das Teinachtal hinein, er spürte den kühlen Wind, der ihn umwehte und auch seine Jacke von der Bank weg in ein Gebüsch getrieben hatte, wo die Zweige den Stoff festhielten wie eine Beute.
Auf der Bank selbst saß er nicht mehr. Er war tatsächlich im Schlaf zuerst nach vorn und dann nach unten gerutscht. Nun hockte er auf dem Hintern und wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Beobachtet worden war er bestimmt nicht, aber der Rutscher von der Bank und der anschließende Aufprall war für ihn doch eine schmerzhafte Begleiterscheinung, die er nicht nur an seinem Hintern spürte, sondern auch im Rücken, wo ihm das Kreuz weh tat.
Ausgerechnet der Rücken. Damit hatte er schon des öfteren Last gehabt.
»Eingeschlafen bin ich. Wie ein kleines Kind, das müde ist. Man ist eben nicht mehr der Jüngste.«
Es war kälter geworden. Immer
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