Edelmann und Satansfreund
wieder bog der Wind das Gebüsch und kämmte das hohe Gras. Er ließ Charlies Hemd flattern. Die Mütze war ihm nicht vom Kopf gerutscht, sie hatte sich nur nach vorn geschoben und hing so weit in der Stirn, daß sie sogar seine Sicht behinderte.
Charlie Korn rückte sie wieder zurecht, wobei er sich mit der rechten Hand an der Bank abstützte, um wieder auf die Beine zu gelangen.
Nichts hielt ihn mehr an dieser Stelle. Der Schlaf hatte ihm zwar gutgetan, aber auch durstig gemacht. Er würde in die Krone gehen und einige Gläser Pils zischen. Ja, zischen!
In Vorfreude begannen seine Augen zu glänzen, als er ein paar Schritte weiter bis zu dem Gebüsch humpelte, wo sich seine Jacke verfangen hatte. Bei jedem Tritt spürte er sein Kreuz. Zudem mußte er noch schräg gehen, weil das Gebüsch an einem Abhang wuchs.
Er angelte sich die Jacke, an der einige Blätter klebten. Zudem war sie staubig geworden. Charlie klopfte sie ab und ging bis zur Bank zurück, wo er das Kleidungsstück überzog. Dabei mußte er sich dehnen und spürte wieder sein Kreuz.
»So eine Scheiße!« murmelte er vor sich hin. »Das ist ja direkt eine Lachnummer gewesen.«
Die Jacke saß, und Charlie Korn kam erst jetzt dazu, sich richtig umzuschauen.
Wie hatte sich seine Umgebung verändert!
Kein Sonnenschein mehr, auch die unnatürliche Hitze hatte sich zurückgezogen. Statt dessen hatte die Hand des Schöpfers ein neues Bühnenbild für dieses Stück Erde aufgezogen. Der Himmel war bedeckt mit dicken Wolken, der Wind trieb sie vor sich her, aber er blies auch über die Erde hinweg, wirbelte an manchen Stellen Staub hoch. Weit im Hintergrund, wo sich schwach die Albkette abzeichnete, hörte er ein dumpfes Grollen. Dort bildete sich ein Gewitter. Es war durchaus möglich, daß es mit Blitz, Donner und Regen in Richtung Teinachtal trieb, um sich auch hier zu entladen.
Charlie drehte sich weiter, so daß sein Blick auf die Ruinen der Feste Zavelstein fiel.
Auch sie war vom Wetterwechsel nicht verschont geblieben. Der Wind fauchte in den Burghof hinein. Er heulte durch den Torbogen, fegte dort ebenfalls Staubwölken in die Höhe, aber er konnte dem alten Gemäuer nichts anhaben.
Über Charlies Körper glitt eine Gänsehaut. Es lag nicht nur am Wetter, er fühlte sich auch nicht gut. Der Himmel über ihm hatte jetzt etwas Drohendes und Böses. Unheilige Geister schienen sich zusammengefunden zu haben, um mit ihrem stürmischen Atem die Menschen von der Erde wegzublasen.
Besucher sah er nicht mehr. Verlassen standen die Ruinen im letzten, aber klaren Tageslicht. Eigentlich wurde es noch nicht so früh dunkel, das lag einfach an der Veränderung des Himmels.
Im Tal schüttelte der Wind die Bäume. Das Geräusch des sich bewegenden Laubs drang wie ein Rauschen zu Charlie hoch, der den Reißverschluß seiner Jacke schloß, bevor er sich auf den Weg zur Krone machte. Soweit er sah, war er im Moment der einzige Fußgänger.
Er verließ seinen Platz an der Bank und ging die wenigen Schritte bis zur Straße. Dort blieb er für einen Moment stehen, weil ihn gerade jetzt eine Staubwolke erwischte, die der Wind gegen sein Gesicht wehte. Er schloß die Augen, wartete, dann wollte er sich wieder umdrehen, aber er kam nicht dazu, denn seinen Kopf hatte er, ohne es eigentlich zu wollen, nach links zur Feste hin gedreht.
Er sah das aufgewühlte Wasser im Graben, er sah die Brücke und konnte auch in den Torbogen hineinschauen.
Charlie Korn blieb vor Schreck der Mund offen. Er zwinkerte, er schüttelte den Kopf, weil er einfach nicht glauben wollte, welche Gestalt er mit seinen eigenen Augen sah.
Da kam ein Ritter!
Einer, der sich verkleidet und dies perfekt geschafft hatte. Charlie Korn wußte zwar viel, aber nicht genügend Einzelheiten aus der vergangenen Zeit. Dieser Ritter sah sicherlich so aus wie die Herren damals. Er war einfach super.
Hohes Strauchwerk deckte den Rentner, der den Ankömmling weiterhin beobachtete.
Schritt für Schritt bewegte sich der Ritter auf das Ende des Torbogens zu. Er hatte sogar sein Schwert gezogen, und Charlie merkte, wie allmählich die Furcht in ihm wuchs. Er reagierte nicht wie sonst.
Normalerweise wäre er als kontaktfreudiger Mensch hingegangen, um dem Mann Fragen zu stellen. Vielleicht wurde irgendwo ein Ritterspiel aufgeführt, aber dann hätte der Kerl ja nicht schon jetzt seine Rüstung überzustreifen brauchen, denn es war recht beschwerlich, damit zu laufen.
Korns Herz klopfte schneller. Er hatte sich
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