Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)
hochgiftig.«
»Ich will
sagen«, erklärte Halvard, seine Sicherheit wiederfindend, »wer so etwas gekauft
hat, wurde böse betrogen. Und jetzt ist eine Pause angebracht. Danach, meine sehr
geehrten Damen und Herren, schlage ich vor, dass wir zum eigentlichen Inhalt des
Abends zurückkehren und die wunderbaren Weißweine besprechen, die Sie bisher im
Glas hatten. Allesamt garantiert von Glykol unbelastet. Herzlichen Dank bis hierhin!«
Anerkennender
Applaus begleitete ihn von der Bühne. Das Publikum verließ die Tische. Das Bürgermeisterpaar
wurde im Handumdrehen von einer Gruppe umringt. Die Ratsmitglieder waren mit Begrüßungsworten
und Händeschütteln beschäftigt. Ulf-Harald kam zum Tisch des Vaters. Onno Halvard
erhob sich und klopfte dem Sohn auf die Schulter. Ulf-Harald nickte Lutz und Norma
höflich zu und setzte sich auf den Platz des Vaters, der im Nu von einer Menschentraube
umringt wurde, die der des Bürgermeisterpaars nicht nachstand. Lutz entschuldigte
sich und stand auf, um einen Bekannten zu begrüßen. Am Tisch blieben Norma und der
Weinexperte zurück. Die Umstehenden hielten Abstand, als wollten sie Halvard nicht
in seiner Pause stören.
Er wandte
sich Norma zu. »Sie hatten sich vorhin zu Wort gemeldet. Wenn Sie die Fragen nun
stellen möchten, bitte sehr.«
»Das ist
nicht mehr wichtig. Ich würde gern etwas anderes wissen.«
Er griff
nach einer Wasserflasche und schenkte sich ein Glas ein. »Nur zu! Fragen Sie!«
Es sei privat,
erklärte Norma.
Halvard
holte ein braunes Medikamentenfläschchen aus der Sakkotasche, hielt es über das
Wasserglas und zählte aufmerksam die Tropfen. »Homöopathie. Habe früher nicht daran
geglaubt. Inzwischen bin ich davon überzeugt. Hilft gegen allerlei Beschwerden.
Für meine Schlafstörungen brauche ich allerdings etwas viel Stärkeres.«
Seine Wangen
hatten zur naturgemäßen Blässe zurückgefunden. Die roten, mit Gel hochgebürsteten
Haare ließen das Gesicht länglich wirken. Grüne Augen. Sie fühlte sich an jemanden
erinnert, ohne diesen Eindruck klar fassen zu können.
Sie reichte
ihm ihre Karte.
»Private
Ermittlerin?«, staunte er. »Und was ermitteln Sie so?«
»Im Augenblick
möchte ich herausfinden, wie die Staatsanwältin Angela Bennefeld ihren letzten Abend
verbracht hat. Sie haben Frau Bennefeld am vergangenen Mittwochabend in Schierstein
getroffen. Am Abend vor ihrem Tod.«
Er fasste
sich an die Stirn. »Schlimme Sache. Dieser verdammte Wodka! Zu den bestellten Getränken
hat sie sich aus ihrem Flachmann bedient. Schade. Wie der Vater. Karl Bennefeld
war Alkoholiker und wurde erst trocken, als er im Rollstuhl saß.«
»Was macht
Sie so sicher, dass Angela Wodka getrunken hat?«
»Weil sie
es mir gesagt hat. ›Nemiroff original‹ aus der Ukraine. Der beste Wodka, wie sie
meinte.«
»Wie betrunken
war sie?«
Er seufzte.
»Offenbar alkoholisiert genug, um wie ein Stein im Hafen zu versinken.«
»Haben Sie
Angela zufällig getroffen?«
»Nein, sie
hat mich angerufen. Ich war sehr verblüfft. Unser Verhältnis war nicht das Beste.
Wir hatten seit Jahren keinen persönlichen Kontakt. Sie wissen, Wiesbaden ist manchmal
ein Dorf, und wir haben uns ab und zu von Weitem gesehen, im Theater oder bei Konzerten.
Wenn Blicke töten könnten.« Er lächelte gequält.
»Als junge
Leute waren Sie und Angela ein Paar. Eine Jugendliebe, die auseinanderging. Gab
es dafür einen bestimmten Grund?«
Er schaute
sich um. Noch war Bewegung im Saal. Ein Teil der Gäste hielt sich in Grüppchen draußen
auf der Terrasse auf.
Halvard
wandte sich erneut Norma zu. »Sie sind neugierig, Frau Tann. Warum nicht, ich habe
nichts zu verbergen. Im Frühjahr 1987 hat mein Vater das Bennefeld-Weingut übernommen,
um Karl vor dem völligen Ruin zu bewahren. Eine Art Gnadenakt. Mein Vater hat viel
bezahlt, war mehr als großzügig. Aber Angela benahm sich völlig uneinsichtig. Mir
gab sie den Laufpass, und sie richtete ihren ganzen Hass gegen mich und meinen Vater.«
»Hat Angela
aus verratener Liebe gegen Sie ermittelt? Sie warf Ihnen vor, mit Glykol gepanscht
zu haben.«
»Vorsicht,
Frau Tann! Das ist verdammt dünnes Eis, auf dem Sie sich bewegen. Vergessen Sie
nicht, wen Sie vor sich haben.«
Sie lächelte
beschwichtigend. »Keine Angst, ich will Ihren Ruf als Weinpapst nicht beschädigen.
Dennoch saßen Sie in Untersuchungshaft, Herr Halvard. Das geschieht nicht wegen
einer Lappalie.«
»Sie haben
keine Ahnung, was damals los war! Die Atmosphäre
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