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Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kronenberg
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mit
einem Berg Milchschaum. Die nächsten Telefonate verliefen weniger emotional. Meistens
erreichte sie nicht sofort den passenden Ansprechpartner und musste eine Weile hin
und her telefonieren, um mit ehemaligen Nachbarn, Freunden und Kollegen zu reden.
Am späten Nachmittag stand fest: Acht von den 15 Männern waren mit gesunden Fingern
auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Bei den verbleibenden sieben hatte sie dazu
keine Informationen bekommen, sofern überhaupt jemanden zu sprechen gewesen war.
Die letzte halbe Stunde nutzte sie für Erkundigungen in Sachen Ulf-Harald Halvard,
um für den Abend gewappnet zu sein.
    Schluss
für heute! Sie räumte die Teeküche auf und schloss das Büro ab. Auf dem Weg ins
Dachgeschoss legte sie einen Stopp auf der Etage ihrer verreisten Vermieterin Eva
ein und warf einen raschen Blick in jedes Zimmer. Im Bad geschah es, beim Anblick
der üppig wuchernden Grünlilie. Norma umklammerte das Waschbecken wie eine Ertrinkende.
Um sie herum drehte sich alles. Sie sah nur noch Grün. Grün in allen Nuancen des
Dschungels. Aus dem Blättermeer starrten die vernarbten Gesichter der Männer, die
Kokablätter kauend vor der Hütte lungerten. Dann der Atem des tumben Comandante
an ihrer Seite. Der eiskalte Pistolenlauf auf ihrer Wange.
    Der Therapeut,
den sie kurzzeitig aufgesucht hatte, hatte sie gewarnt: Die Flashbacks könnten jederzeit
auftauchen, wie aus dem Nichts und nach Jahren, ausgelöst durch eine Situation,
einen Geruch oder einen Anblick, der nicht bis ins Bewusstsein vordringen müsste.
Das Gehirn spielte sein eigenes Spiel und produzierte Bilder, die Panik schürten
und denen der Verstand nicht gewachsen war. Folgen der Todesangst, die in ihrem
Fall eine Allianz mit der Scham eingegangen war. Sie hatte Arthur nach Kolumbien
begleitet, wo er sich als Gast eines populären kolumbianischen Malers in Sicherheit
wähnte. Der Gastgeber selbst hatte das Risiko unterschätzt, als er Arthur und Norma
zu einem Ausflug in die Berge einlud. Die beiden Ausländer wurden zur willkommenen
Beute einer kriminellen Splittergruppe der Farc-Rebellen. Die Entführung einer deutschen
Kriminalbeamtin brachte Bewegung auf das diplomatische Parkett. Die einheimische
Polizei sah sich zum Handeln genötigt, und nach drei Tagen war das Ehepaar Tann
wieder frei: Todmüde, ausgehungert und von Ungezieferplagen zermürbt, aber äußerlich
unverletzt. Ihre Seelen waren nicht heil davongekommen.
    Sie spritzte
sich kaltes Wasser ins Gesicht, während sie darauf wartete, dass sich der Herzschlag
beruhigte und das Blut in den Kopf zurückströmte. Als sie den Blick zum Spiegel
hob, erschrak sie über ihr erschöpftes Gesicht. Ob sie die Therapie wieder aufnehmen
sollte? Eine Überlegung, die sie nach jeder Panikattacke beschäftigte, um, sobald
das Schlimmste vergessen war, ins letzte Hinterzimmer des Gehirns verbannt zu werden.
Sie dachte an Nina, die ihren eigenen Weg finden musste, um mit ihrem Trauma zu
leben. Sie wünschte dem Mädchen von Herzen dafür die Ausdauer. Und sie war hoffnungsvoll.
Die kleine Kratzbürste war hart im Nehmen. Bevor sie ins Bad ging, wählte sie ihre
Mobilnummer, ohne Nina zu erreichen, und schicke eine SMS hinterher mit der Ankündigung,
sich in den nächsten Tagen zu melden.
    Rasch geduscht
und mit einem Joghurt im Magen machte sie sich auf den Weg in die Innenstadt. Angeschlagen
von der Panikattacke und verunsichert durch eine ungewohnte Unentschlossenheit,
hatte sie sich dreimal umgezogen und letztendlich für ein schlichtes schwarzes Kleid
entschieden, das aus Arthurs Zeiten stammte und zu locker um die Hüften saß. Der
kommunale Wahlkampf war unübersehbar. Die Biebricher Allee war dekoriert mit den
Plakaten aller Parteien. Die ZfWi präsentierte sich mit dem barocken Antlitz ihres
Vorsitzenden. War die Haarpracht des ›Löwen von Wiesbaden‹ auch weiß geworden: Der
Mann bot nach wie vor einen eindrucksvollen Anblick. Onno Halvard, der auf die 80
zuging, kämpfte unerschütterlich um die Gunst der Bürger für die ›Zukunft für Wiesbaden‹.
Seine Porträts begleitet Norma auf der Fahrt über die Friedrich-Ebert-Allee und
die ›Rue‹. Beim ›Nassauer Hof‹ stockte der Verkehrsfluss und gab ihr Gelegenheit,
einen Blick auf das Bowling Green und das sich dahinter erhebende Kurhaus zu werfen,
in dem in einer halben Stunde das Weinseminar beginnen sollte. Sie war spät dran!
Panikattacken kosteten Nerven und Zeit. Dazu kam der Feierabendverkehr, der sich
durch die

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