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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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schon richtig, Kleiner«, hat er gesagt und mir
gegen die Schulter geboxt. »Ich zähl auf dich. Es ist nämlich nicht mehr wie früher. Heute können wir alles schaffen. Alles, was wir wollen. Lass dir bloß nichts anderes einreden. Auch vom Alten nicht. Der hat keine Ahnung.«
    Wie er das sagte, hatte es so was Verschwörerisches an sich. Das hat mir gefallen. Er hatte sich wirklich verändert. Irgendwas war mit ihm passiert auf dieser Schule.
    Ich bin näher zu ihm hingerückt. »Erzähl mir von Sonthofen! Wie ist es da?«
    »Oh Mann, ich kann dir sagen!« Er hat gelacht und den Kopf geschüttelt. »Dass es da rau zugeht, wusste ich ja schon vorher. Aber dass es so heftig wird …«
    Und dann hat er erzählt. Wie sie im Winter durch Eis und Schnee laufen müssen, barfuß und mit nacktem Oberkörper. Wie sie im Schwimmbad mit voller Ausrüstung vom Zehnmeterbrett springen, mit Tornister und Stahlhelm. Wie sie Schmerzen und Strapazen ertragen, von denen sie vorher nicht mal gewusst haben, dass es sie gibt. Und wie die kleinste Schwäche, die sich einer von ihnen dabei leistet, sofort zur Bestrafung aller führt.
    »Wolltest du nie weg?«, hab ich gefragt. »Wieder nach Hause?«
    »Klar, am Anfang schon. Hab gedacht, ich schaff’s nicht. Hätte ich allein auch nicht. Aber ich hab Freunde gefunden. Und vor denen gibt man sich keine Blöße. Da ist man stark. Wie unter richtigen Kameraden, weißt du.«
    Wir haben noch lange geredet an dem Abend. Und an den Tagen danach. Bis zu seiner Abreise. Bewundert und beneidet hab ich ihn. Dafür, was er alles erlebt hatte und wovon er erzählen konnte. Von seiner Zeit in der Ordensburg. Von den vielen Mutproben und der tollen Kameradschaft. Von der harten Ausbildung, die nur die Besten schaffen. Es ist seltsam: Ich war 11 zu der Zeit und er 13. Aber es kam mir vor, als läg ’n ganzes Leben zwischen uns.
    Damals hab ich mir geschworen, ihn nicht zu enttäuschen. »Ich zähl auf dich«, hatte er zu mir gesagt. Und das sollte er auch! Ich wollte werden wie er. Ich war fest entschlossen dazu.
    Aber dann kam der Krieg, die Soldatenspielerei in der HJ, Morken und all das, was dieses Jahr passiert ist. Ich bin nicht traurig deswegen, ganz und gar nicht. Ich bin froh, dass ich mit der HJ nichts mehr zu tun hab und dass Tom und ich jetzt bei den Edelweißpiraten sind. Nur wenn ein Brief von Horst kommt, werde ich nachdenklich. Denn meinen Schwur von damals, den hab ich gebrochen. Was er wohl dazu sagt, wenn ich ihm irgendwann alles beichten muss?

28. September 1941
    Die Aktion letzte Nacht war ein voller Erfolg. Das ganze Viertel macht sich inzwischen drüber lustig. Aber keiner weiß, dass wir es gewesen sind. Und dabei bleibt’s auch, wenn’s nach uns geht. Denn wenn’s rauskommt, kriegen wir ganz schön Ärger.
    Die Idee ist uns vor ein paar Tagen gekommen. Wir waren im Volksgarten und haben über alles Mögliche geredet, das uns durch den Kopf ging. Ich weiß nicht mehr, wer damit angefangen hat, aber irgendwie sind wir auf die Blockwarte zu sprechen gekommen. Mit denen hat ja jetzt jeder Ärger, seit sie im Krieg so viel Macht haben. Früher haben sie nur die Beiträge kassiert von den Leuten, die in der Partei sind, und den Völkischen Beobachter verteilt. Aber inzwischen sind sie zu echten Quälgeistern geworden. Ständig schnüffeln sie rum, ob alle verdunkelt haben und dass auch ja keiner den Engländer hört oder sonst was Verbotenes tut. Jeder vernünftige Mensch hat ’n Hass auf die.
    Bei Tom ist es besonders schlimm. Er hat gemeint, sein Blockwart – Kuhlmann heißt der – ist schlimmer als ’n Gefängniswärter.
Er hat schon Leute denunziert und vor die Gestapo gebracht. Egal, ob sie was getan haben oder nicht. Nur, weil er noch ’n Hühnchen mit ihnen zu rupfen hatte. Jeden Abend im Dunkeln schleicht er von einem Fenster zum andern, hat Tom erzählt. Überall versucht er, durch die Ritzen von den Jalousien zu gucken. Und wenn ihm was auffällt, steht er am nächsten Tag bei den Leuten auf der Matte und droht ihnen. Sie sollten dies und das für ihn tun, sonst macht er Meldung über sie.
    Der Lange hat gemeint, einem wie dem müsste man mal ’n Denkzettel verpassen. Einen, den er nicht so schnell wieder vergisst. Wir haben uns alles Mögliche einfallen lassen, was wir mit ihm anstellen können. Ist erst nur Spaß gewesen. Aber irgendwann hat Flint gesagt: »Warum eigentlich nur reden, Leute? Lasst uns doch wirklich mal was durchziehen!«
    Letzte Nacht war’s so

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