Eden Inc.
kein Name zugeordnet war. Da stand nur ein Identitätscode. Doch er ergab überhaupt keinen Sinn.
»Lassen Sie mich mal raten«, sagte Lash. »Es ist nicht mal ’ne richtige Zahl. Es ist nur eine Reihe von Nullen.«
Tara drehte sich nun um und musterte Lash genauer. Er atmete noch immer schwer, und Blut tröpfelte von seinen Händen auf den Boden. Doch er schaute sie unveränderlich an und - egal, wie fest sie seinem Blick auch standhielt - sie konnte in seinen Augen keinen Hinweis finden, dass Lash irrsinnig war.
Tara schaute zur Wanduhr. Zwei Minuten.
»Woher wussten Sie das?«, fragte sie. »Haben Sie einfach geraten?«
»Wer hätte das schon erraten können? Neun Nullen?«
Tara ließ ihre Frage im Raum stehen.
»Erinnern Sie sich noch an die Anfragen, die ich Sie heute Morgen in Ihren Rechner einzugeben bat? Mir war gerade eine Idee gekommen. Eine schreckliche Idee, aber die einzig passende. Die Anfragen, die Sie anschließend haben laufen lassen, waren dann die Bestätigung.«
Tara wollte etwas sagen, doch dann hielt sie inne.
»Wozu soll ich mir das alles anhören?«, sagte sie, um mehr Zeit zu gewinnen. »Ich habe Ihre Daten gesehen. Ich habe Ihre Akten gesehen, was Sie getan haben. Ich weiß, warum Sie nicht mehr beim FBI sind: Sie haben zwei Polizisten und Ihren eigenen Schwager sterben lassen. Sie haben bewusst einen Mörder zu ihnen geführt.«
Lash schüttelte den Kopf. »Nein. So war es nicht. Ich habe versucht, sie zu retten. Es ist mir nur zu spät bewusst geworden. Es war ein Fall wie dieser hier. Das Profil eines Killers, das vorn und hinten nicht stimmte. Er hieß Edmund Wyre.
Haben Sie in der Presse nichts über ihn gelesen? Er hat Frauen als Köder getötet und Geständnisse geschrieben, die reiner Bluff waren. Und zwischenzeitlich hat er seine wirklichen Ziele bedroht: die in diesen Fällen ermittelnden Kriminaler. Zwei hat er erwischt. Mich hat er verfehlt. Der Fall hat meine Ehe ruiniert und dafür gesorgt, dass ich ein Jahr nicht schlafen konnte.«
Tara antwortete nicht.
»Verstehen Sie denn nicht? Man hat mir hier eine Falle gestellt. Mich reingelegt. Jemand hat an meiner Akte herummanipuliert. Ich weiß, wer dieser Jemand ist.«
Lash trat an die Tür und warf einen Blick zurück. »Ich muss jetzt gehen. Aber Sie müssen noch etwas tun. Gehen Sie zum Tank. Lassen Sie sechs Avatare - die Frauen der sechs Superpaare - auf Avatar null los.«
In der Ferne läutete ein Aufzug. Tara hörte laute Stimmen und die Geräusche rennender Füße.
Lash zuckte sichtlich zusammen. Er legte die Hand auf den Türrahmen und bereitete sich zur Flucht vor. Dann schaute er Tara noch einmal an. Sein Ausdruck schien sich in sie einzubrennen. »Ich weiß, dass Sie möchten, dass all dies aufhört. Tun Sie, was ich gesagt habe. Finden Sie selbst heraus, was hier abläuft. Retten Sie die anderen.«
Dann war er ohne ein weiteres Wort verschwunden.
Tara ließ sich langsam in ihren Sessel fallen. Sie schaute auf die Uhr: knapp unter vier Minuten.
Sekunden später stürzte eine Gruppe von Wachmännern mit Schießeisen in der Hand in ihr Büro. Der Anführer - ein untersetzter, stämmig gebauter Mann, den Tara als Whetstone identifizierte - schaute schnell in alle Ecken, dann fiel sein Blick auf sie.
»Alles in Ordnung, Ms. Stapleton?« Neben Whetstone lugte ein Mann in den einzigen Schrank des Büros.
Tara nickte.
Whetstone wandte sich seinen Leuten zu. »Er muss in die Richtung abgehauen sein«, sagte er und deutete den Korridor hinunter. »Dreyfuss und McBain, ihr sichert die nächste Gangkreuzung. Reynolds, du bleibst bei mir. Wir überprüfen mal die Zugangsklappen in der Nähe hier.« Er marschierte aus dem Büro, steckte die Waffe weg und zückte gleichzeitig ein Funkgerät.
Tara lauschte eine Weile den sich entfernenden Schritten und den verstohlenen Lauten des Gesprächs. Dann verstummte beides, und im Korridor wurde es wieder still.
Sie blieb reglos in ihrem Sessel sitzen. Die Wanduhr tickte volle fünf Minuten vor sich hin. Dann stand sie auf und schritt über den Teppich, wobei sie es vermied, auf die Blutflecken zu treten. Im Türrahmen zögerte sie eine Sekunde, dann ging sie in den Korridor hinaus und schlug die Richtung zum Aufzug ein. Der Tank war nur wenige Minuten von hier entfernt.
Doch dann blieb sie stehen - sie war zu einem anderen Entschluss gelangt. Sie drehte sich um und kehrte, nun schneller, in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war.
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Das Kommandozentrum
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