Eden Inc.
Eisenbahnfahrkarte erwähnt«, sagte er zu Tara. »Und eine Motelreservierung.«
Taras Augen wurden plötzlich groß. Sie drehte sich zur Tastatur um.
»Eine Reservierung nach Boston. Für kommenden Freitagmorgen.«
»Und wo ist das Motel?«
»In Burlingame, Massachusetts.«
Mauchly trat vom Bildschirm zurück. Mit seinem leidenschaftslosen Gehabe war es nun vorbei. »Tara, ich brauche eine Auflistung von Handerlings Telefonanrufen. Sowohl von seinem Schreibtisch als auch von zu Hause aus. Machen Sie das?«
Tara nickte und griff zum Telefon.
»Danke.« Mauchly ging zur Tür. Dann drehte er sich um.
»Sie müssen mich jetzt entschuldigen, Dr. Lash. Ich habe einiges zu erledigen.«
25
Der Tatort glich in vielerlei Hinsicht den anderen: Der Raum war ein Chaos, die Spiegel zerschlagen, die Schlafzimmervorhänge zurückgezogen, als sei die Nacht eingeladen, Zeuge des Unerhörten zu sein. Und doch war es ganz, ganz anders. Die Frau lag in einer Blutlache, die ihrer Leiche wie eine schreckliche Korona entströmte. Und im gnadenlosen Licht der Lampen leuchteten die Wände weiß und nackt und waren bar jeder hingekritzelten Botschaft.
Captain Masterton schaute von der Leiche auf. Sein Gesicht hatte das gequälte Aussehen eines Bullen, auf den man aus allen Richtungen Druck ausübte.
»Ich hab mich schon gefragt, wann Sie endlich aufkreuzen, Lash.
Sagen Sie dem Opfer Nummer drei mal guten Tag. Helen Martin, zweiunddreißig Jahre alt.«
Mastertons Blick wich nicht von ihm. Er sah so aus, als wolle er schon wieder einen ätzenden Kommentar über Lashs hageres Profil abgeben. Doch dann schüttelte er nur angeekelt den Kopf.
»Herrgott, Lash, Sie sind wie ’n Zombie. Immer wenn ich Sie sehe, sehen Sie noch ’n bisschen schlimmer aus.«
»Darüber können wir später mal reden. Wie lange ist sie schon tot?«
»Nicht einmal eine Stunde.«
»Irgendwelche Hinweise auf eine Vergewaltigung? Vaginale Penetration?«
»Der Arzt ist unterwegs, aber allem Anschein nach nicht. Auch kein Anzeichen für einen aus dem Ruder gelaufenen Einbruch. Es ist so wie bei den anderen. Aber diesmal haben wir fast einen Durchbruch erzielt. Ein Nachbar hat den Tumult gehört und angerufen. Keine Beschreibung eines Fahrzeugs, aber wir haben schon Streifenwagen an allen größeren Kreuzungen und Autobahnauffahrten aufgefahren. Vielleicht kommen wir jetzt weiter.«
Der Tatort war noch so frisch, dass die örtlichen Bullen ihn gerade erst unter die Lupe zu nehmen begannen. Sie machten Fotos, suchten Fingerabdrücke und zeichneten die Lage der Leiche mit Kreide auf den Boden. Lash stand da und schaute sich die Tote an. Da war es wieder: das unerträgliche Gefühl, dass alles fehl am Platze war. Es war wie ein Puzzle mit nicht zueinander passenden Teilen. Es passte nicht zusammen, und selbst wenn es passte, erweckte es den Eindruck, dass dem nicht so sei. Er wusste es, weil er dieses Puzzle in seinem Geist tagelang immer wieder zusammengesetzt und auseinander genommen hatte. Es war wie ein in seinem Kopf loderndes Feuer, das sämtliche Gedanken verzehrte und seinen Schlaf auffraß.
Die Frau war ganz eindeutig bei einem Blitzangriff ums Leben gekommen. Das Kennzeichen eines milieugeschädigten Killers. Und doch war das Haus abgelegen, grenzte an den Waldrand, stand für sich allein: Das war kein Gelegenheitsverbrechen, kein Blitzangriff.
Dann waren da noch die zerbrochenen Spiegel, die normalerweise auf einen Killer hinwiesen, dem die Gestaltung einer solchen Szene Unbehagen bereitete. Doch Killer dieser Art deckten ihre Opfer auch zu, verhüllten das Gesicht: Die Frau hier war nackt, ihre Schenkel schrecklich aufreizend gespreizt. Und dennoch hatte dieses Verbrechen nichts mit Sex zu tun. Auch nicht mit einem Raub. Und diesmal gab es nicht mal den rituellen Heiligenschein aus abgetrennten Zehen und Fingerkuppen, die dem Mord einen Zwangscharakter verliehen.
Um ein Profil zu erstellen, musste man sich in den Kopf des Mörders versetzen und Fragen stellen. Was war in diesem Raum passiert? Warum war es gerade auf diese spezielle Weise geschehen? Auch Massenmörder folgten einer - verdrehten - Logik. Aber nichts war logisch. Es gab kein Fundament, auf dem sich eine Übereinkunft aufbauen ließ.
Lashs Blick schweifte über die Schlafzimmerwände. Bei den vorherigen Morden waren sie voll von weitschweifigem, ausuferndem Geschwafel gewesen - ein blutiges Mischmasch von Widersprüchen.
Diesmal waren die Wände leer.
Warum?
Lashs Blick
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