Eden Inc.
Fensterscheibe herab. Lash leerte seinen Becher Kaffee, fragte sich kurz, ob er schnell in das Deli nebenan springen und sich einen neuen holen sollte, warf einen Blick auf die Uhr und entschied sich dagegen. Es war schon 17.10 Uhr, und die Personalakte besagte, dass Gary Handerling seinen Arbeitsplatz fast immer pünktlich verließ.
Lash musterte das Hochglanzfoto von Handerling, das neben ihm auf dem Sitz lag. Eine interne Kamera am Kontrollpunkt I hatte es heute Morgen aufgenommen. Dann ließ er seinen Blick über die Madison Avenue zum Eden Tower schweifen. Handerling war leicht zu erkennen: Er war groß und schlaksig, hatte ein bisschen Speck am Bauch, schütteres blondes Haar und trug einen gelben Anorak, der ihn weithin sichtbar machte. Selbst wenn Lash ihn übersah: Einer der anderen Burschen aus dem Team würde ihn bestimmt erspähen.
Lashs Black fiel wieder auf das Foto. Handerling sah nicht wie ein Serienmörder aus. Na ja, aber das traf wohl auf die meisten zu.
Die Beifahrertür vorn ging auf, und ein stämmiger Mann in einem tropfnassen blauen Anzug stieg ein. Als er sich umdrehte, um einen Blick in Richtung Rücksitz zu werfen, wehte Lash eine Old-Spice-Woge entgegen. Er hatte zwar gewusst, dass noch ein FBI-Mann mitkäme, aber es überraschte ihn, John Coven zu sehen, einen Kollegen, mit dem er bei einigen seiner ersten Fälle zusammengearbeitet hatte.
»Lash?«, sagte Coven. Er wirkte ebenso überrascht. »Sind Sie es?«
Lash nickte. »Wie läuft’s denn so, John?«
»Kann nicht klagen. Ich latsche mir noch immer die Hacken als GS-13 ab. Noch ein paar Jahre, dann kann ich beim Marathon mitmachen und Tarpon statt Ganoven fischen gehen.«
»Wie schön.« Wie viele FBI-Leute war auch Coven besessen davon, die ihm noch verbleibenden Tage bis zur Pensionierung zu zählen.
Coven schaute Lash neugierig an. »Ich habe gehört, Sie haben Ihren Job an den Nagel gehängt und machen jetzt als Freiberufler Kohle.«
Coven wusste natürlich, dass Lash das FBI verlassen hatte.
Sicher kannte er auch die Gründe. Er war nur taktvoll.
»Ja, stimmt«, sagte Lash. »Dies hier ist nur eine zeitweilige Sache. Ein bisschen Schwarzarbeit, bis ich wieder was Ernsthaftes mache.«
Coven nickte.
»Ist das nicht ein ungewöhnlicher Einsatz für Sie?«, fragte Lash und lenkte das Gespräch freundlich in eine andere Richtung.
Coven zuckte die Achseln. »Nicht mehr. Heutzutage haben wir es nur noch mit Buchstabensuppe zu tun. Bei all dem Personalabbau und den Reorganisationen ist jeder mit jedem in der Kiste. Man weiß nie, mit wem man zusammenarbeitet - mit der DEA, der CIA, dem Verfassungsschutz, örtlichen Behörden oder den Pfadfinderinnen.«
Ja, aber doch nicht mit Privatunternehmen, dachte Lash. Dass die Wirtschaft das FBI als private Kraft einsetzte, war eine neue Erfahrung für ihn.
»Das einzig Komische an der Sache war, dass wir den Auftrag vom Chef persönlich gekriegt haben«, sagte Coven. »Er kam nicht über den normalen Dienstweg.«
Lash nickte. Mauchlys Worte fielen ihm ein: Wir tauschen unsere Informationen mit ausgewählten Regierungsagenturen aus.
Offenbar verlief die Kooperation in beide Richtungen.
Er hatte den ganzen Tag über kaum etwas von Mauchly und Tara Stapleton gesehen. Er war spät gekommen, denn den ganzen Morgen über war er gezwungen gewesen, ein gewaltiges kompliziertes Geflecht aus Bürokratie, Bankformularen, Kreditagenturmeldungen und bürokratischen Verwicklungen zu entwirren, um seine Hypothekenaufstellung zu korrigieren und verschiedene Kreditkarten wieder einsetzbar zu machen. Mauchly war kurz vor dem Mittagessen mit einem großen Paket unter dem Arm in seinem Büro aufgetaucht. Handerling, hatte er gesagt, habe die Eisenbahnfahrkarte für den nächsten Morgen abgeholt. Ein Anruf, den er heute in der Früh von seinem Schreibtisch aus getätigt hatte, deutete an, dass er sich nach der Arbeit mit einer Frau treffen wollte. Für seine Beschattung sei gesorgt. Mauchly hatte gewollt, dass Lash daran teilnahm. Am Abend zuvor hatte er Lashs Drängen, auf der Stelle die örtliche Polizei einzuschalten, freundlich zurückgewiesen. »Er stellt keine unmittelbare Gefahr dar«, hatte Mauchly gesagt. »Wir müssen mehr Beweise sammeln. Machen Sie sich keine Sorgen.
Man wird ihn genauestens überwachen.«
Er hatte das Paket - Handerlings Stellenbewerbung, seine Mitarbeiterbewertung und seinen beruflichen Werdegang - auf Lashs Tisch abgestellt. »Schauen Sie mal nach, ob was zu Ihrem
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