Eden Prophecy
wieder dort, wo er angefangen hatte.
Er spürte das Gewicht der Pistole in seiner Hand. Die Waffe erschien ihm jetzt schwerer, handfester als zu dem Zeitpunkt, da Marko sie ihm gegeben hatte. Noch hatte sie kein Blut fließen lassen.
Er legte sie beiseite, holte ein Handy hervor und wählte aus dem Gedächtnis.
»Ich habe euch im Stich gelassen«, sagte er, als sich jemand meldete.
Markos Stimme kam schwer und ruhig aus dem Lautsprecher. »Wo bist du, Yousef?«
»Ich bin zurück in La Courneuve«, sagte er. »Die Polizei sucht mich.«
»Ja«, sagte Marko und hielt inne. »Aber ich werde vor ihnen bei dir sein.«
Die Worte versetzten Yousef in Angst.
»Kommst du, um mich zu töten?«
Marko lachte, und es klang so unheimlich in dem leeren, dunklen Haus, dass Yousef daran dachte, aufzulegen und wegzulaufen. Aber wohin sollte er gehen? Er sah zu der Waffe auf dem kalten Boden. Er überlegte, sie auf sich selbst zu richten, seinem Elend ein Ende zu setzen, bevor Marko und die anderen ihn bestraften.
»Du hast dich besser gehalten, als du denkst«, sagte Marko schließlich. »Der Meister ist zufrieden mit dir, Scindo. Wir werden dich nicht zurücklassen.«
Einen Moment lang hörte das Zittern auf. Yousef war allein und bereit zu sterben, um dem Schmerz ein Ende zu machen, aber Scindo war nicht allein.
»Bleib, wo du bist«, sagte Marko. »Ich komme dich holen.«
15
Barton Cassel IV . betrat sein Büro im achtunddreißigsten Stock des Büroturms von Cassel Pharmaceutical Corporation im Zentrum von Nizza. Als Amerikaner, der sich lieber als Weltbürger betrachtete, hatte Cassel das Familienunternehmen im reifen Alter von neunundzwanzig von seinem Vater übernommen. Dreißig Jahre später hatte er es von einem verschlafenen kleinen Medikamentenvertrieb in einen international agierenden Hersteller von vier Verkaufsschlagern im Pharmabereich verwandelt. Der Umsatz von CPC lag bei knapp drei Milliarden Dollar im Jahr, der Gewinn für das laufende Jahr würde je nach Wechselkurs bei rund zweihundert Millionen liegen.
So viel Reichtum hatte eine Art internationalen Playboy aus Cassel gemacht. Er besaß Yachten, die in Miami und Monaco vor Anker lagen. Er hatte ein heruntergekommenes Schloss gekauft und es zu einem zweitausend Quadratmeter großen Zuhause umgebaut, in dem er verschwenderische Partys mit Supermodels, Filmstars und Formel-1-Fahrern als Gästen schmiss. Zuletzt hatte er mit dem Gedanken gespielt, sich einen Titel zu kaufen, sodass er sich offiziell mit Herzog, Prinz oder Graf anreden lassen konnte.
Doch trotz allen Reichtums war Barton Cassel IV . nicht ohne Probleme. Zunächst einmal zeichneten seine vier Kassenschlager für fünfundneunzig Prozent des Umsatzes seines Unternehmens verantwortlich, aber bei dreien davon würde im nächsten Jahr das Patent auslaufen, und das vierte folgte in Kürze, womit CPC entscheidend geschwächt war. Die Einnahmen würden um fünfzig Prozent einbrechen, und ohne massenhafte Entlassungen und andere Einschnitte, vor allem im ungeheuer kostspieligen Forschungs- und Entwicklungsbereich, würde aller Profit dahinschwinden und das Unternehmen tief in die roten Zahlen geraten.
Trotz gewaltiger Anstrengungen hatte Cassel nichts in petto, um die Medikamente zu ersetzen. Und Einschnitte bei Forschung und Entwicklung bedeuteten, dass so schnell wohl auch nichts nachkommen würde.
Das war ein Problem. Als er das Licht in seinem ausladenden Büro einschaltete, starrte ihm ein zweites, vom ersten abgeleitetes Problem ins Gesicht.
»Hallo, Barton«, sagte eine Stimme.
Auf einer Couch neben der kleinen Küche und Getränkebar, die zu seinem Büro gehörten, saß ein Mann mit kahl rasiertem Schädel und einer dunklen, rechtwinkligen Tätowierung, die wie ein Kragen halb um seinen Hals lief.
Cassel kannte die Stimme, die Tätowierung, den hässlichen Blick.
»Was zum Teufel tun Sie hier?«
»Ich bringe Ihnen Neuigkeiten«, sagte der Tätowierte.
Cassel blickte in Richtung Tür, eine Spur zu offensichtlich.
»Versuchen Sie’s erst gar nicht«, warnte der Tätowierte und fügte dann, als wäre es keine Drohung, hinzu: »Sie werden hören wollen, was ich zu sagen habe.«
Cassel schäumte. Er hatte den besten Sicherheitsdienst im Land, es gab Kameras, Scanner und sogar ein Zahlenschloss in seinem eigenen Büro, das er soeben geöffnet hatte. Alles, damit er sich nicht mit irgendwelchem »Zeug« herumschlagen musste.
Und dazu gehörte der Mann vor ihm ohne Frage.
»Wie zum
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