Eden Prophecy
jungen Leute vergeudet.«
Jubel stieg aus der Menge auf, und Hawker stand da und staunte. Nicht weil eine Schar reicher Menschen gern die Zeit zurückgedreht hätte, sondern weil die Grafiken auf dem Schirm Zellaktivität mit Beschriftungen und Untertiteln zeigten.
Danielles Erklärungen zufolge waren dies genau die Themen von Rangas Aufzeichnungen. Noch schockierender für Hawker war eine Grafik am unteren Bildrand. Sie zeigte eine Versuchsnummer an: Serie 951. Den anderen Leuten hier mochte es nichts sagen, aber Danielle hatte berichtet, dass die Liste der Experimente mit Serie 951 geendet hatte, es war der letzte Eintrag in Rangas Aufzeichnungen gewesen. Sonias Präsentation versprach eine Verlängerung des Lebens, und sie benutzte dazu genau dieselben Daten und ein Virus mit genau derselben Versuchsnummer, die laut Rangas Unterlagen auf eine Zerstörung des Lebens hinwiesen.
Neuer Zorn kehrte in Hawkers Herz zurück.
Im günstigsten Fall war Sonia eine beliebige aalglatte Verkäuferin, die den Reichen versprach, was sie hören wollten, aber Hawker glaubte nicht an den günstigsten Fall.
Und der schlimmste Fall: Sonias Unternehmen und all das hier gehörten zu Rangas Plan, zum Plan der Sekte. Wie könnte man eine Seuche besser oder auf ironischere Weise verbreiten, als wenn man reiche Leute dazu brachte, Millionen für das Privileg, sich anzustecken, zu bezahlen. Holt euch das Serum des Lebens, aber erwartet nicht mehr viel Leben, nachdem ihr es genommen habt.
Und wenn das der Fall war, dann ging hier etwas weitaus Düstereres vor sich.
21
Als die Videopräsentation langsam zu Ende ging, brauchte Hawker Platz, um ungestört nachdenken zu können. Er entfernte sich von dem Fenster und begann die Versorgungsflure des Hotels zu inspizieren. Er konnte noch die Musikberieselung aus dem Ballsaal hören, aber die Sprecherstimme des Videos wurde von einem Dutzend einzelner Stimmen abgelöst, von Leuten, die in der Menge umherwuselten und persönlich mit den wohlhabenden Männern und Frauen sprachen.
Er achtete nur sporadisch darauf. Stattdessen begutachtete er die rückwärtigen Korridore des Hotels und die nicht beschrifteten Türen, die zu Vorbereitungsräumen, Küchen und Notausgängen führten. Wenn es Probleme gab, würde sich einer dieser Bereiche als Schwachstelle erweisen. Gleichzeitig boten diese rückwärtigen Bereiche die beste Möglichkeit zur Flucht. Aber erst musste man sich dort auskennen.
Er kam aus einem Raum voller audiovisueller Ausrüstung und ging den Flur entlang zu einer nicht beschrifteten Treppe. Sie führte zum Hubschrauberlandeplatz hinauf, der oberhalb von ihnen lag; nach unten bildete sie eine Art Fluchtweg.
Weiter vorn im Flur war rechts eine verschlossene Tür, links fand er sich in einer Sackgasse wieder. Er machte kehrt und sah zwei Leute auf sich zukommen: Sonia und den grauhaarigen Mann.
Sie wechselten einen Blick.
»Ich habe es verstanden«, sagte Sonia.
»Sicher?«, fragte der Mann.
»Ja.«
Er küsste sie auf die Wange und ging die Treppe zum Heliport hinauf.
»Kann ich Ihnen suchen helfen?«, sagte sie zu Hawker und klang sehr förmlich.
Was für eine Frage. Sie kam voller Selbstbewusstsein näher.
»Wie kommen Sie darauf, dass ich etwas suche?«
Sie verlangsamte ihre Schritte und warf einen Blick die Treppe hinauf. Das Geräusch sich entfernender Schritte war noch hörbar.
»Du hast immer nach etwas gesucht, früher.«
Jetzt klang sie nicht mehr so offiziell.
Aus der Nähe betrachtet, war sie noch schöner als aus der Ferne. Ihre seelenvollen haselnussbraunen Augen, ihre glatte, gebräunte Haut, die sich schimmernd vom Weiß des Cocktailkleids abhob.
»Vielleicht haben wir das alle getan«, sagte er.
»Zusammen nach Antworten gesucht?«
»Besser, als allein zu suchen.«
Hawker entdeckte einen anderen Ausdruck in ihren Augen, als sie nun zu ihm sprach, eine müde Traurigkeit, die sie hinter dem Lächeln und dem Selbstbewusstsein der Verkäuferin versteckt hatte. Tatsächlich fragte er sich, wie sie angesichts der Geschehnisse diese Fassade aufrechterhielt.
»Hat dich mein Vater geschickt?«, fragte sie.
Die Frage kam Hawker merkwürdig vor. Natürlich hatte Ranga versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, aber so wie Sonia fragte, klang sie eher aufgebracht oder verärgert als betroffen. Der Grund wurde ihm schlagartig klar: Kein Wunder, dass sie in der Lage war, auf diesem Empfang zu glänzen, kein Wunder, dass sie sich so zusammennehmen konnte – sie wusste
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