Eden Prophecy
dass sich Ranga für antike Artefakte interessiert hatte und dass Bashir als Käufer solcher Dinge bekannt war – deshalb war Danielle ja nach Beirut gereist. Aber was Sonia gerade gesagt hatte, hörte sich offenkundig absurd an.
»Der Baum des Lebens?«, sagte er. »Wie der, von dem Adam und Eva nicht essen sollten?«
»Vom Baum des Lebens durften sie essen«, antwortete Sonia. »Und sie blieben dabei jung, gesund und unsterblich. Es war der Baum der Erkenntnis, vor dessen Früchten sie gewarnt wurden.«
»Richtig«, sagte Hawker und versuchte sich an seinen lange zurückliegenden Bibelunterricht zu erinnern. »Und dein Vater hat das für real gehalten?«
»Glauben Sie nicht an den Garten Eden, Mr. Hawker?«, wollte Savi wissen.
»In einem physischen Sinn? Nein.«
»Interessant«, sagte sie. »Der Sündenfall des Menschen, die Lehre von der Erbsünde, Gottes Strafe für uns – sind das also keine Dinge, die Sie akzeptieren?«
Das Letzte, womit Hawker an diesem Abend gerechnet hatte, war eine Diskussion über religiöse Dogmen. Dennoch fühlte er sich zu einer Antwort verpflichtet, als würde Savi ihn irgendwie auf die Probe stellen.
»Der Sündenfall des Menschen – den sehe ich jeden Tag«, sagte er. »Aber wir sind ebenso zum Guten und zu selbstlosem Opfer fähig.« Es war etwas, woran er den Glauben schon beinahe verloren hatte. »Was die Erbsünde angeht, so habe ich mit meinen eigenen Sünden genug Sorgen.«
»Und Gottes Strafe?«, wiederholte sie.
Ihre Worte hatten eindeutig etwas von einem Test. Als würde sie nach einer Antwort bohren.
In Wahrheit leuchtete vieles von dem, was religiöse Gruppen Gottes Strafe nannten, Hawker nicht recht ein. Wie etwa der Soldat, der die Bundeslade bewachte und vom Blitz getroffen wurde, weil er sie berührte, als er verhindern wollte, dass sie zu Boden fiel. Moses, der alles tat, was Gott verlangte, aber gezwungen wurde, vierzig Jahre durch die Wüste zu wandern und dann das Gelobte Land nicht betreten durfte, weil er sich einen Moment der Überheblichkeit geleistet hatte. Es klang alles ein bisschen hart für ihn, ein bisschen zu menschlich, als wollte jemand eine Doktrin absoluten Gehorsams installieren. Etwas, wogegen er immer aufbegehrt hatte.
»Ich habe jede Menge Dinge getan, für die mich Gott zu Recht bestrafen könnte«, sagte er. »Aber Adam und Eva? Sie haben den Apfel genommen, nachdem sie von der Schlange verführt wurden. Wenn ich mich recht erinnere, heißt es in der Bibel sogar, die Schlange sei voller Arglist gewesen – etwas, das Adam und Eva gar nicht kannten.«
»Die Schlange war der Teufel«, stellte Savi fest.
»Das weiß ich«, sagte Hawker. »Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Wenn Gott allwissend ist, dann musste er wissen, was passieren würde, wenn der Teufel Adam und Eva im Garten Eden fand. Und wenn er allmächtig ist, dann hätte er nur mit den Fingern schnippen müssen, um zu verhindern, dass die Schlange überhaupt in den Garten gelangt. Adam und Eva haben also eine schlechte Entscheidung getroffen. Aber bis zu einem gewissen Grad – wenn man glaubt, dass das alles wirklich so geschehen ist – war Gott selbst dafür verantwortlich. Und die Menschheit dafür zu bestrafen ergibt für mich keinen Sinn. Würden Sie Ihr Kind dafür bestrafen, dass es von einem Räuber überlistet wird, den Sie überhaupt erst in seine Welt gelassen haben?«
Savi lächelte. »Sie scheinen sich sehr auf diesen Punkt zu konzentrieren.«
»Menschen verdrehen Gottes Worte«, sagte er. »Und meist sind es diejenigen, die sich auf göttliche Autorität berufen.«
»Aber Sie sind gläubig?«
»Ich glaube an Gott, ja. An manche Darstellungen des Menschen von ihm glaube ich sehr. Andere wiederum wirken, als wäre nicht vom selben Typ die Rede.«
Savi sah Sonia an und dann wieder Hawker. »Dann sind Sie also ein Mann des Glaubens, aber Sie weisen manche Lehren zurück und akzeptieren andere«, sagte sie misstrauisch.
»Alles zu akzeptieren, was einem gesagt wird, oder alles zurückzuweisen, was man hört, sind Zeichen von Fanatismus«, sagte er. »Und den lehne ich vor allen Dingen ab.«
Sie nickte. »Ich verstehe. Wenn Gott also nicht wusste, was im Garten Eden passieren würde, dann ist er fehlbar. Und wenn er es wusste, dann ist er schuldhaft. Wollen Sie das sagen?«
Hawker hatte genug von diesen Spielchen. »Ich will sagen, das Mindeste, was er hätte tun können, wäre gewesen, einen Gärtner einzustellen, der die Schlange tötet.«
Sonia
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