Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
war es kalt. Ich sah mich um, entdeckte jedoch nirgendwo eine Heizung. Es klopfte leise an die Tür.
»Kann ich reinkommen?«
»Ja, alles okay«, rief ich.
Ryan reichte mir ein Paar schwarze Hosen und einen schwarzen Pulli. Dann ging er wieder aus dem Zimmer, damit ich mich anziehen konnte. Cassies Hosen passten perfekt, aber ihr Pulli war ziemlich eng.
»Okay, jetzt sehe ich wieder vorzeigbar aus«, rief ich erleichtert in Richtung Tür.
Ryan kam wieder herein und lächelte mich an. »Was gab es denn so Dringendes, dass du nicht einmal vor dem Unwetter Halt gemacht hast? Versteh mich nicht falsch – ich freue mich, dass du da bist; ich verstehe nur nicht so genau, warum.«
Ich sah ihn an und versuchte, meine Gefühle zu ordnen. War er noch derselbe, den ich kennengelernt hatte? Mochte ich ihn immer noch?
»Ich hab die ganze Nacht kein Auge zugetan«, begann ich und setzte mich zu ihm aufs Bett.
»Weshalb?«
»Deinetwegen.«
Ryan hob eine Augenbraue. »Irgendwie bin ich mir nicht sicher, ob ich mich geschmeichelt fühlen oder ob ich beunruhigt sein soll.«
»Woher kommst du, Ryan?«, fragte ich, und meine Stimme zitterte unwillkürlich.
»Wolfeboro«, sagte er und sah mich irritiert an. »Das hab ich dir doch schon erzählt.«
»Nein, ich meine nicht, von wo «, antwortete ich und bemühte mich, ruhig zu klingen. »Von wann? Aus welchem Jahr?«
Für den Bruchteil einer Sekunde kippte Ryans Lächeln, nur um dann umso strahlender wieder hervorzutreten. »Wovon redest du?«, fragte er.
»Ich weiß, dass du aus der Zukunft bist. Ich will nur wissen, wie weit aus der Zukunft«, sagte ich mutig.
Ryan lachte auf. Das Lachen klang hohl und einen Tick zu laut. Er wurde blass um die Nasenspitze. »Du sprichst in Rätseln.«
Ich runzelte die Stirn. Ryan war wirklich ein harter Brocken. »Na gut, dann reden wir also Klartext«, sagte ich genervt. »Du kommst aus der Zukunft – und du weißt, dass ich weiß, dass du aus der Zukunft kommst. Wir können meinetwegen aber auch so tun, als wäre ich verrückt, wenn du dich damit wohler fühlst.«
Ryan fluchte. Dann sprang er hoch, riss seine Zimmertür auf und prüfte, ob die Luft rein war, schloss sie wieder und setzte sich zurück aufs Bett neben mich. Er stützte den Kopf in die Hände und die Arme auf die Knie. Ich saß stocksteif da und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ob ich etwas sagen, ihn berühren sollte oder einfach nur so bleiben, wie ich war.
Nach einer Ewigkeit blickte Ryan auf und sah mir in die Augen. »Woher weißt du das?«, flüsterte er.
Seine Worte fuhren mir durch Mark und Bein. Er hatte gerade mehr oder minder eingestanden, dass ich recht hatte.
»Ich hab eins und eins zusammengezählt.«
Ryan sah mich merkwürdig an, furchtsam beinahe. »Und was genau?«
Ich lachte trocken. »Du hattest keine Ahnung von normalem Essen«, setzte ich an.
Er knirschte mit den Zähnen.
»Und du wusstest die einfachsten Dinge nicht – zum Beispiel wer Hitler ist.«
Ryan rieb sich die Nasenwurzel. »Nach der Geschichtsstunde habe ich sofort nachgeschlagen«, rechtfertigte er sich.
»Außerdem hat mich irritiert, dass du mich regelrecht ausgefragt hast über mein Leben, aber selbst nicht das Geringste über dich preisgeben wolltest.«
Er nickte aufmerksam, als erstelle er gerade eine To-do-Liste, wie er seine Tarnung künftig optimieren könnte.
»Du hast mir erzählt, dass eine Umweltkatastrophe alle Bäume in Wolfeboro vernichtet habe – was eine glatte Lüge war. Ich habe das gegoogelt. Zuerst dachte ich, du seiest in einer Sekte, die dir jeglichen engeren Kontakt zur normalen Welt verbietet.«
Ryan sah mich schief von der Seite an und lächelte dünn. »Und was hat dich letztendlich von dem Sektengedanken abgebracht?«
»Die Reise nach Eden.«
Er schluckte. »Wovon redest du?«
»Von Connors Autobiographie.«
»Jetzt steig ich beim besten Willen nicht mehr durch«, stöhnte Ryan, aber sein Selbstvertrauen war auf einmal wie weggeblasen.
Ich öffnete meinen Rucksack und zog Die Reise nach Eden heraus. »Das habe ich gestern aus Versehen mit nach Hause genommen, als ich meine Schulbücher eingepackt habe.«
Ryan streckte die Hand aus und riss mir das Buch regelrecht aus der Hand. »Wie viel davon hast du dir angesehen?«, fragte er panisch.
»Alle Fotos und das erste Kapitel«, sagte ich. »Aber ganz ehrlich, selbst ohne dieses Buch wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmt mit dir.«
»Ist das wirklich so offensichtlich?«,
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