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Eden und Orion - Lichtjahre zu dir

Eden und Orion - Lichtjahre zu dir

Titel: Eden und Orion - Lichtjahre zu dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Douglas
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Minuten vor Mitternacht«, murmelte er. »Wir brauchen ungefähr zwanzig Sekunden bis zum Start. Geh jetzt rein und setz dich in die Küche. Bis null Uhr zwei.« Er lächelte entschuldigend. »Du weißt schon. Zeitgesetze und so.«
    Ich nickte. Sprechen konnte ich nicht mehr, ohne sofort in Tränen auszubrechen.
    »Ry!«, brüllte Cassie, die schon zur Garage vorgegangen war.
    Er ließ mich los und trottete ihr hinterher.
    Mit gesenktem Kopf und ohne mich noch einmal nach ihm umzudrehen, ging ich rein und setzte mich an den Küchentisch. Wenn das alles ein Film wäre , dachte ich, oder wenn ich eine andere Person wäre, eine, die sich so richtig was traut, dann würde ich jetzt aufspringen, hinter Ryan herrennen und den dreien zurufen, dass sie sofort anhalten und mich mitnehmen sollen. Ich würde ihm sagen, dass ich ohne ihn nicht leben will. Und dass ich ihn liebe. Mehr als alles andere; über alles .
    So eine war ich aber nun einmal nicht. Ich war praktisch veranlagt und vernünftig. Ich wusste, dass ich hier, in Penpol Cove und in meiner Zeit, Verpflichtungen hatte. Und so saß ich, wie Ryan mich angewiesen hatte, am Küchentisch und starrte auf den Sekundenanzeiger meiner Armbanduhr, während Ryan, Cassie und Ben sich für den Take-off zurück in die Zukunft bereit machten.
    Ich ließ keinen Gedanken zu, keine Gefühlsregung – ließ den Sekundenanzeiger einfach drei volle Umdrehungen lang wandern und saß da. Dann erhob ich mich wie in Trance und trat hinaus in den Garten. Ruhig und gemessenen Schritts ging ich über die Wiese zur Garage.
    Direkt vor mir vibrierte eine riesige, durchsichtig schimmernde Scheibe. Durch das milchige Glas erkannte ich verschwommen ein graues Fahrzeug im Inneren. Jetzt vibrierte die Scheibe schneller, und verschwamm bis zur Unkenntlichkeit. Ein greller Lichtblitz blendete mich so unerwartet, dass ich kurz nichts mehr sah. Dann zog sich die Scheibe in einem Wirbel zusammen, immer enger und schneller – bis sie schließlich ganz verschwunden war.
    Ich ging zurück in den Vorgarten, wo wir unseren Apfelbaum gepflanzt hatten, und setzte mich neben das Pflänzchen. Meine Armbanduhr sagte, dass es genau dreißig Sekunden nach Mitternacht war. In weiteren neunzig Sekunden würde Ryan bereits wieder zurück in seiner Zeit sein. Ich starrte auf den Zeiger. Um zwei Minuten nach Mitternacht blickte ich zum Himmel hinauf. Er war immer noch sternklar. Über mir erkannte ich das Sternbild Perseus mit Algol, dem Teufelsstern. Dort draußen war irgendwo Eden, der Geburtsort des wunderbarsten Menschen des Universums. Tränen schossen mir in die Augen. Ryan war fort. Weg. Verschwunden. Sogar vom Himmel, denn es würde noch Monate dauern, bis Orion sich wieder zeigte. Orion – sein Name, aus Sternen in den Himmel geschrieben. Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Wo er jetzt wohl gerade war? Ob er an mich dachte? Mir gefiel die Vorstellung, dass er genau jetzt – genau hier, neben mir, im Garten saß. Nur hundert Jahre später.

Sechzehntes Kapitel
    Der strahlende Sonnenschein weckte mich zur Unzeit – und nur zu dem einen Zweck: Um mich zu verhöhnen und mein Unglück in den fröhlichsten Farben auszuleuchten. Ich war sechzehn und würde niemals weitere einhundertzehn Jahre leben. Andererseits: Wer wollte das auch schon? Die faltigste, zerknautschteste alte Frau der Welt zu sein, war ein zweifelhafter Rekord, fand ich. Einhundertsechsundzwanzig Jahre auf dieser Welt war wirklich kein erstrebenswertes Ziel. Vor allem, weil Ryan dann gerade einmal siebzehn wäre, wenn ich stürbe.
    Wenn ich hundertneun würde – wofür die Chancen aber höchstwahrscheinlich genauso schlecht standen wie für die siebzehn Jahre mehr, könnte ich da sein, wenn er geboren würde und ihn als Baby sehen.
    Und was soll das bringen? , dachte ich bitter. Das ist doch alles krank!
    Für Ryan und mich würde es kein Happy End geben!
    Tränen kitzelten mich in den Augen, und wenn ich mich nicht ganz schnell zusammenriss, würde ich noch in meinem Selbstmitleid ertrinken.
    Stöhnend hievte ich mich aus dem Bett. Mein Kleid lag noch genau so, wie ich es gestern Nacht ausgezogen hatte, auf dem Boden. Ich hob es auf und hängte es auf einen Bügel an die Kleiderschranktür. Irgendwann würde ich es in die Reinigung bringen. Wenn ich mich dem Leben dort draußen wieder gewachsen fühlte.
    Ich riss die Vorhänge auf. Die aufgehende Sonne sah aus wie eine offene Wunde, die so stark blutete, dass sie auch die Wolken und den

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