Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
Himmel besudelte. Es sah aus, als sauge sich das Firmament langsam, aber unaufhaltsam voll Sonne. Morgenröte verheißt dem Bauern arge Nöte , sagte Miranda immer. Und Bauernregeln stimmten einfach – das wusste ich aus Erfahrung. Das Wetter würde später also umschlagen, auch wenn man sich das jetzt nur schwer vorstellen konnte: Es war sonnig und versprach heiß zu werden – perfektes Strandwetter. Nach dem Frühstück würde ich Connor anrufen und Pläne für den Tag mit ihm schmieden, beschloss ich. Doch dann kehrte die Erinnerung zurück. Schaudernd dachte ich an gestern Nacht und musste schon wieder mit den Tränen kämpfen. Wahrscheinlich würde er nicht einmal mit mir reden wollen, geschweige denn den Tag mit mir verbringen.
Seufzend zog ich mir ein kurzes, blaues Strandkleid an und warf mir zur Sicherheit einen warmen Kapuzenpullover über die Schultern – man wusste ja nie. Das Wetter in Cornwall ist bekanntlich launisch.
Der Geruch von gebratenem Speck waberte mir entgegen, als ich zur Treppe kam. Selbst nach sechs Jahren Abstinenz lief mir das Wasser noch immer im Mund zusammen, wenn ich das roch. Travis. Er übernachtete in letzter Zeit öfter bei Miranda, und sonntagmorgens gab es für ihn nichts Größeres als ein Brunch mit allem Drum und Dran.
Ich schleppte mich in die Küche. Hunger hatte ich keinen und Lust auf Travis’ sarkastische Bemerkungen oder Mirandas gut gelaunte Fragen, wie der Ball denn gewesen sei, schon dreimal nicht.
Miranda stand am Herd und schob in einer fettigen Pfanne irgendwelche Frühstückszutaten hin und her. Travis stand mit einer halb gerauchten Zigarette vor der Terrassentür. Als er mich hereinkommen sah, nahm Travis sie aus dem Mund und grinste anzüglich.
»Ein schönes, fettiges Frühstück ist gut gegen Kater«, begrüßte er mich. »Morgen, du Nachtschwärmerin.«
»Das ist nicht witzig, Travis«, sagte Miranda scharf. »Du weißt ganz genau, dass Eden nicht trinkt.«
Travis zwinkerte mir verschwörerisch zu, als wolle er sagen: Ich weiß es besser, Schätzchen, aber keine Angst: Meine Lippen sind versiegelt .
Er drückte seine Zigarette aus und kam wieder rein. »Nichts für ungut, Eden. Ich wollte eigentlich auch nur sagen, dass es heute ein ganz besonders leckeres Frühstück gibt. Miranda hat für zehn aufgefahren.«
Ich schüttelte den Kopf. »Danke, aber für meinen Geschmack ist das alles ein bisschen zu schweinekadaverlastig.«
»Warum machst du heute nicht mal eine Ausnahme?«, fragte Travis. »Du wirst doch nicht abstreiten, dass alles ganz wunderbar duftet.«
»Ich möchte mich nicht am Leid einer anderen Kreatur laben.«
»Du solltest endlich lernen, dir selbst auch mal was zu gönnen«, predigte Travis, doch er predigte ins Leere: Ich hatte mir schon eine Schale und die Müslipackung geschnappt und mich lustlos an den Tisch gefläzt.
»Dann erzähl mal!«, sagte Miranda fröhlich. »Hattest du einen wunderbaren Abend gestern?«
»Entzückend«, antwortete ich knapp und goss Milch über mein Müsli.
»Hast du viele Fotos gemacht?«
»Ich hatte mein Handy gar nicht dabei. Aber Megans Mutter hat ein paar geschossen, bevor wir losgegangen sind. Und Connor hat seinen halben Handyspeicher vollgeknipst. Ich besorge Kopien, die kannst du dann sehen.«
Miranda trug zwei dampfende Teller mit Speck, Spiegeleiern, Würstchen, gebratenen Pilzen und Toastbrot auf. Der Geruch des heißen Fettes verursachte mir ein flaues Gefühl im Magen.
»Und? Ist dein Freund gestern tatsächlich noch aufgebrochen?«, erkundigte sich Travis. »Er wollte doch direkt nach dem Ball zurück in seine Heimat fahren, oder?«
Ich nickte. »Ja. Aber er ist nicht, also – er war nicht – mein Freund.«
Miranda und Travis lächelten einander wissend zu.
»Du hast aber gesagt, du seist verliebt in ihn.« Travis tunkte sein Würstchen grinsend in das flüssige Eigelb und freute sich augenscheinlich über meine Verlegenheit.
Ich stöhnte genervt. Zuzugeben, dass man verliebt ist, wenn es um einen herum dunkel ist und man noch Restalkohol im Blut hat, war eine Sache. Bei Tageslicht von Miranda und Travis dazu verhört zu werden, war allerdings eine ganz andere. Vor allem, weil ich mich so krampfhaft bemühte, nicht dauernd an Ryan zu denken.
»Ja und?«, antwortete ich patzig. »Dann hab ich es eben gesagt. Aber das macht ihn noch lange nicht zu meinem Freund. Wir waren Freunde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und jetzt ist er weg. Punkt. Mehr gibt es dazu nicht zu
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