Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk
hatten wir ihn auf diese Art nahezu vollgefüllt, da brach eine mächtige Bö von Norden her auf uns ein; wir mußten aufhören, da der Hulk wieder mächtig zu stampfen begann. Wir eilten nach vorn, banden uns am Gangspill fest und warteten der Ereignisse mit einer Ruhe des Gemüts, die wir unter diesen Umständen nicht für möglich gehalten hätten. Mittags hatte sich der Wind zu einer strammen Brise angefrischt, nachts war‘s schon ein harter Sturm, den eine gewaltige, schwere Dünung begleitete. Jetzt aber waren wir in der Kunst des Festbindens erfahren und ertrugen die trübselige Nacht in leidlicher Sicherheit, obwohl uns die See bis auf die Haut durchnäßte und wir beständig fürchteten, weggespült zu werden. Glücklicherweise war das Wetter so warm, daß uns das Wasser beinahe wohltat.
25. Juli. Diesen Morgen hatte sich der Sturm zu einer gewöhnlichen Zehnknotenbrise abgeschwächt, und die See war so ruhig geworden, daß wir uns auf Deck trocken halten konnten. Zu unserer Betrübnis aber waren trotz aller Vorsichtsmaßregeln zwei Oliventöpfe und der ganze Schinken über Bord gegangen. Wir beschlossen, die Schildkröte noch nicht zu schlachten, und frühstückten ein jeder nur ein paar Oliven und etwas Wasser; wir mischten es halb und halb mit Wein und fanden die Mischung sehr kräftigend und anregend und ohne die üblen Folgen des Portweingenusses. Die See war noch zu rauh, um neue Tauchversuche im Hulk zu ermöglichen. Während des Tages wurden verschiedene Gegenstände, die für uns augenblicklich ohne Wert waren, aus der Kajüte heraus und sogleich über Bord gespült. Auch bemerkten wir, daß der Hulk sich stärker denn je auf die Seite neigte, so daß wir nicht darauf stehen konnten, ohne angebunden zu sein. Somit verbrachten wir einen betrüblichen und ungemütlichen Tag. Mittags schien die Sonne fast senkrecht über uns zu stehen, und wir zweifelten nicht daran, daß wir durch eine lange Reihe von Nord- und Nordwestwinden in die Nähe des Gleichers getrieben worden waren. Gegen Abend sahen wir mehrere Haifische; die Unverschämtheit, mit der ein ungeheures Exemplar sich uns näherte, versetzte uns in nicht geringen Schrecken. Als einmal das Verdeck sehr weit unter Wasser geriet, schwamm das Untier tatsächlich auf uns zu, zappelte eine Weile über der Kajütenluke und schlug mit dem Schwanz nach Dirk Peters. Zu unserer großen Erleichterung wälzte eine schwere See das Tier über Bord. Bei mäßigem Wetter hätten wir es leicht fangen können.
26. Juli. Diesen Morgen beschlossen wir, da der Wind fühlbar nachgelassen und die See sich etwas beruhigt hatte, unsere Bemühungen in der Vorratskammer zu erneuern. Nach vieler und harter Arbeit, die den Tag fast ganz in Anspruch nahm, sahen wir ein, daß hier nichts mehr zu erwarten sei, denn die Zwischendeckwände waren in der Nacht eingedrückt und der Inhalt in den Kielraum geschwemmt worden. Man kann sich denken, daß diese Entdeckung uns mit Verzweiflung erfüllte.
27. Juli. Die See fast völlig glatt, dazu ein leichter Wind, immer von Norden und Westen. Nachmittags brach die Sonne glühend durch; wir machten uns ans Trocknen unserer Kleider. Ein Seebad erfrischte uns außerordentlich; doch war dabei die größte Vorsicht angezeigt, denn mehrere Haifische hatten während des Tages die Brigg umschwommen.
28. Juli. Noch immer gutes Wetter. Die Brigg liegt so stark auf der Seite, daß wir in steter Furcht sind, sie möchte kentern. Wir suchten uns auf dies Äußerste vorzubereiten, banden Schildkröte, Wasserkrug und Oliventöpfe möglichst auf der Windseite fest, und zwar außerhalb des Hulks. Die See immerfort sehr glatt; fast gar kein Wind.
29. Juli. Das Wetter bleibt sich gleich. Augustus‘ wunder Arm fängt an abzusterben. Er klagt über Schläfrigkeit und gräßlichen Durst, hat aber keine großen Schmerzen. Man konnte ihm höchstens die Wunden mit etwas Essig (aus den Oliven) einreiben, und das schien ihm wenig zu nützen. Wir taten alles mögliche für seine Bequemlichkeit und gaben ihm die dreifache Ration Wasser.
30. Juli. Ein entsetzlich heißer Tag, ohne Wind. Ein riesiger Hai trieb sich den ganzen Vormittag in der Nähe des Hulks umher. Wir machten ein paar vergebliche Versuche, ihm mit einer Schlinge zu fangen. Augustus ging es viel schlechter; er litt nicht allein unter den Folgen seiner Wunden, sondern noch mehr durch ungenügende, ungesunde Ernährung. Er betete ununterbrochen, Gott möge ihn von seinen Leiden erlösen; er
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