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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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fiel tot zu Boden. Ich darf nicht bei dem grausen Mahle verweilen, das nun folgte. Dergleichen läßt sich träumen, aber von dem höllischen Entsetzen der Wirklichkeit vermögen Worte keine Vorstellung zu geben! Genug! Wir lebten davon vier nie aus dem Gedächtnis wegzulöschende Tage, vom 17. bis zum 20. des Monats.
    Am Neunzehnten kam ein scharfer Regenguß, der etwa eine Viertelstunde dauerte; wir fingen uns etwas Regenwasser in einem Bettuch, das wir gleich nach dem Sturm in der Kajüte aufgefischt hatten. Es mochte nicht mehr als eine halbe Gallone ausmachen; aber schon diese magere Ausbeute erfüllte uns mit Hoffnung und Kraft.
    Am Einundzwanzigsten waren wir wieder in äußerster Not. Das Wetter blieb warm und schön; zuweilen gab es Nebel oder leichte Brisen, meist aus Norden und Westen.
    Am Zweiundzwanzigsten saßen wir eben dicht aneinandergedrängt, unsere klägliche Lage trauervoll bedenkend, da zuckte ein Gedanke durch meinen Sinn, der einen Schimmer leuchtender Hoffnung barg. Ich erinnerte mich, daß nach dem Kappen des Fockmastes Peters mir eine Axt übergeben hatte, die ich an einen sicheren Ort legen sollte, und daß, wenige Minuten bevor die letzte schwere See das Schiff überschwemmte, ich diese Axt in eine der Backbordkojen im Vorderkastell gebracht haben mußte. Jetzt schien es mir möglich, daß wir mit dieser Axt das Deck über der Vorratskammer aufbrechen und uns so bequem mit Nahrung versehen könnten.
    Meine Gefährten brachen in ein mattes Freudengeschrei aus und eilten alle nach dem Vorderkastell. Hier hinabzutauchen war noch schwerer als das Hinabsteigen in die Kajüte, da die Öffnung viel kleiner war; denn man wird sich erinnern, daß die ganze Einfassung der Kajütenluke fortgerissen wurde; diese hier jedoch, eine einfache Luke von drei Fuß Durchmesser, war unverletzt geblieben. Doch zögerte ich nicht, am Seil befestigt, hinabzusteigen; ich tauchte mit den Füßen voran, erreichte die Koje und fand sofort die Axt. Ein Jubel und Triumph sondergleichen begrüßte mich, und diese rasche Auffindung wurde als eine Vorbedeutung unserer Rettung angesehen.
    Nun hackten wir mit aller Macht neubelebten Hoffens auf das Deck los; Peters und ich wechselten ab, Augustus konnte seines Armes wegen nicht mittun. Aber da wir noch so schwach waren, daß wir ohne Unterstützung kaum aufrecht stehen konnten, und alle ein oder zwei Minuten ausruhen mußten, würde es offenbar Stunden dauern, ehe ein genügend großes Loch vorhanden war. Doch wir ließen uns den Mut nicht rauben. Nachdem wir die ganze Nacht beim Scheine des Mondes gearbeitet hatten, erreichten wir unseren Zweck, als der Morgen des Dreiundzwanzigsten zu dämmern begann.
    Peters erbot sich jetzt, hinabzusteigen; und bald kehrte er mit einem kleinen Topf zurück, der zu unsrer großen Freude mit Oliven gefüllt war. Wir verteilten sie untereinander, verschlangen sie mit heißer Gier und ließen unsern Kameraden dann wieder hinab. Diesmal übertraf das Ergebnis alle unsere Erwartungen; Peters kam sofort wieder, beladen mit einem großen Schinken und einer Flasche Madeira. Aus dieser trank jeder nur einen Schluck, da wir noch der Folgen jenes übermäßigen Genusses von Portwein eingedenk waren. Der Schinken war bis auf zwei Pfund am Knochen ungenießbar, das Salzwasser hatte ihn verdorben. Wir teilten uns in den eßbaren Rest. Peters und Augustus, die ihr Verlangen nicht bezähmen konnten, schluckten ihren Anteil sogleich hinunter; ich war vorsichtiger, dachte an die drohende Strafe des Durstes und aß nur ein wenig. Nun ruhten wir ein Weilchen von unsern entsetzlich mühevollen Anstrengungen aus.
    Mittags erneuerten wir, etwas gestärkt und erfrischt, unsere Versuche, Proviant aufzutreiben. Peters und ich tauchten abwechselnd und mit mehr oder weniger Erfolg bis Sonnenuntergang. In dieser Zeit waren wir so glücklich, vier kleine Töpfe mit Oliven, noch einen Schinken, nahezu drei Gallonen ausgezeichneten Kapweins und, was für uns der erfreulichste Fund war, eine Schildkröte von der Galapager Art heraufzubringen; mehrere von ihnen hatte Kapitän Barnard vor der Ausfahrt vom Schoner »Mary Pitts« übernommen, der gerade von der Seehundsjagd im Stillen Ozean heimkehrte.
    Diese Art Schildkröten befinden sich zumeist auf den Galapagosinseln, die in der Tat nach den Tieren benannt sind; denn » galôpago « bedeutet im Spanischen eine Süßwasser-Schildkröte. Gewisse Eigentümlichkeiten in bezug auf Größe und Fortbewegung haben ihnen den

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