Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk
starrte. Ich sah es mit völliger Deutlichkeit – ein einziges mattes Blau mit einem widerlichen, trüben Schleier darüber, so daß mir das Mark in den Knochen zu frieren begann. Sonst aber konnte ich weder von dem Gesicht noch von dem Körper des alten Mannes etwas erblicken, denn ich hatte wie durch Instinkt den Strahl genau auf den verdammten Fleck gerichtet.
Übrigens, habe ich Ihnen nicht gesagt, daß das, was Sie für Wahnsinn halten, nur eine überscharfe meiner Sinne ist? Nun, ich versichere Ihnen, in diesem Augenblick kam an meine Ihren ein leiser, dumpfer und schneller Ton, wie ihn eine Uhr macht, die in Baumwolle eingewickelt ist. Auch diesen Ton kannte ich sehr gut. Es war der Herzschlag des alten Mannes. Er verstärkte meine Wut, wie das Schlügen einer Trommel den Soldaten zur Tapferkeit entflammt.
Aber auch jetzt noch bezwang ich mich und blieb still. Ich atmete kaum und hielt die Laterne bewegungslos. Ich versuchte, so genau es ging, den Strahl immerzu auf das Auge zu richten. Inzwischen verstärkte sich das höllische Herzklopfen, es wurde mit jedem Augenblick schneller und schneller, lauter und lauter. Das Entsetzen des alten Mannes muß außerordentlich groß gewesen sein! Es wurde lauter, sage ich, mit jedem Moment lauter! Ich habe Ihnen erzählt, daß ich nervös bin – ich bin es wirklich. Jetzt in der toten Stunde der Nacht, inmitten des entsetzlichen Schweigens des alten Hauses, erregte ein so unheimliches Geräusch wie dieses in mir einen unüberwindlichen Schrecken. Trotzdem bezwang ich mich noch einige Minuten länger und stand ganz still. Aber noch lauter und lauter schlug das Herz, bis ich dachte, es müßte zerspringen. Und jetzt überfiel mich eine neue Angst – ich dachte, der Nachbar könnte es hören! Damit war des alten Mannes letzte Stunde gekommen. Mit einem gellenden Schrei riß ich die Laterne auf und stürzte ins Zimmer. Auch er schrie, aber nur einmal. In einem Augenblick riß ich ihn auf den Boden und preßte das schwere Bett über ihn. Dann lachte ich froh, weil ich endlich die Tat begangen hatte. Aber noch viele Minuten lang schlug das Herz in einem dumpfen Ton. Doch das störte mich nicht, denn man konnte das nicht mehr durch die Mauer hören. Schließlich hörte es auf, und der alte Mann war tot. Ich entfernte das Bett und besah mir die Leiche.
Ja, er war mausetot. Ich legte meine Hand auf sein Herz und hielt sie da viele Minuten lang. Das Herz schlug nicht mehr, er war mausetot, und sein Geierauge würde mich nicht mehr quälen.
Wenn Sie mich nun noch immer für wahnsinnig halten, so werden Sie Ihre Ansicht ändern, sobald Sie hören, mit welcher Vorsicht ich daran ging, den Körper zu verbergen. Die Nacht ging zu Ende und ich arbeitete schnell, aber schweigend. Zunächst trennte ich alle Glieder vom Körper, ich schnitt den Kopf, die Arme und die Beine ab.
Ich hob drei Bretter vom Fußbodenbelag auf und legte alles zwischen die Balken. Dann fügte ich die Bretter so geschickt und schlau wieder in die alte Lage, daß kein menschliches Auge – nicht einmal sein Geierauge – irgend etwas Verdächtiges bemerken konnte. Ich brauchte nichts auszuwaschen, keinen einzigen Fleck oder Blutstropfen. Dafür war ich viel zu klug, ich hatte alles in einer Wanne aufgefangen – ha ha!
Wie ich meine Arbeit beendet hatte, war es vier Uhr und noch ganz dunkel. Gerade schlug die Uhr, da hörte ich ein Klopfen an der Stubentür. Leichten Herzens ging ich hinab, um zu öffnen, denn was hatte ich jetzt noch zu fürchten? Drei Männer traten herein, die sich mit größter Höflichkeit als Kriminalbeamte vorstellten. Ein Nachbar hatte während der Nacht einen Schrei gehört und war, da er eine Untat vermutete, nach dem Polizeiamt gegangen. Die Beamten waren nun gekommen, um eine Haussuchung vorzunehmen.
Ich lächelte – was hatte ich zu befürchten? Ich begrüßte die Herren und sagte, ich hätte selbst im Traum aufgeschrien. Der alte Mann, so erwähnte ich, sei aufs Land gereist. Ich begleitete meine Besucher durch das ganze Haus und bat sie, alles genau zu durchsuchen.
Schließlich führte ich sie in das Zimmer des alten Mannes und zeigte ihnen seine Besitztümer, die alle sicher und unberührt waren.
Im Hochgefühl meiner Sicherheit brachte ich Stühle in die Kammer und bat sie, sich hier von ihren Mühen auszuruhen, wobei ich mich im wilden Übermut meines Triumphes gerade auf den Fleck setzte, unter dem die Leiche meines Opfers lag.
Die Beamten waren beruhigt, mein
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