Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk
Benehmen hatte sie von meiner Unschuld überzeugt. Mir war aber auch seltsam leicht zumute. Sie saßen und plauderten von gleichgültigen Dingen, während ich ihnen fröhliche Antworten gab. Aber nicht lange danach fühlte ich, wie ich bleich wurde, und ich hätte gern gehabt, wenn sie gegangen wären. Mein Kopf schmerzte, und in meinem Ohr meinte ich ein Pochen zu vernehmen, während sie ruhig dasaßen und weiterplauderten. Das Pochen in meinem Ohr wurde deutlicher, es ließ nicht nach, sondern wurde immer lauter. Um das Gefühl loszuwerden, begann ich immer mehr zu reden, doch es blieb und trat immer bestimmter auf – bis ich schließlich merkte, daß das Geräusch gar nicht in meinen Ohren entstand.
Zweifellos wurde ich jetzt sehr bleich – obgleich ich noch schneller und mit erhobener Stimme sprach. Doch der Klang wuchs – ich konnte nichts dagegen tun. Es war ein leises, dumpfes, schnelles Geräusch – gerade wie von einer Uhr, die in Baumwolle eingewickelt ist. Ich keuchte nach Atem – aber die Beamten hörten es nicht. Ich sprach schneller, heftiger, doch das Geräusch verstärkte sich unaufhörlich. Ich erhob mich und stritt mit ihnen wegen einer Kleinigkeit unter lauten Bemerkungen und heftigen Gestikulationen, aber das Geräusch nahm unaufhörlich zu. Warum gingen sie denn nicht? Mit schweren Tritten schritt ich im Zimmer auf und ab, als hätten mich die Bemerkungen der Männer wütend gemacht – doch das Geräusch nahm unaufhörlich zu.
O Gott, was sollte ich tun? Ich schäumte – ich raste – ich fluchte! Ich erhob den Stuhl, auf dem ich gesessen hatte, und schob ihn scharrend über die Dielen, aber das Geräusch übertönte alles und nahm unaufhörlich zu. Es wurde lauter – lauter – immer lauter! Und immer noch saßen die Männer in fröhlichem Geplauder und lächelten. War es denn möglich, daß sie es nicht hörten? Allmächtiger Gott! Nein, nein! Sie hörten es! – sie vermuteten alles! – sie wußten es sogar und machten sich über meine Angst lustig! – Das habe ich damals gedacht, und ich denke es heute noch. Aber alles war besser als diese endlose Qual! Alles war erträglicher als diese Ungewißheit! Ich konnte dieses heuchlerische Lächeln nicht länger mehr ansehen! Ich fühlte, ich mußte schreien oder sterben! Und da – jetzt kam es wieder – dieses Pochen! Lauter! lauter! lauter! immer lauter!
»Ihr Schurken!« schrie ich, »verstellt euch nicht länger! Ich gestehe die Tat! – reißt die Dielen auf! Hier, hier – hier schlägt dieses entsetzliche Herz!«
Bericht über den Fall Valdemar
Über die erregten Erörterungen, die der höchst seltsame Fall Valdemar hervorgerufen hat, wundere ich mich natürlich gar nicht, höchstens würde ich bei solchen Umständen das Gegenteil für ein Wunder halten. Trotz des Wunsches aller Beteiligten, die Sache vor der Öffentlichkeit geheim zu halten – wenigstens so lange, bis wir genauere Untersuchungen veranstalten konnten – trotz aller Mühe, die wir uns in dieser Hinsicht gaben, drangen doch falsche und übertriebene Gerüchte in weitere Kreise und veranlaßten sehr unangenehme Auseinandersetzungen, vielfach auch spöttischen Unglauben.
Ich halte es deshalb für notwendig, einen Bericht über die Tatsachen zu geben, soweit ich sie selbst darlegen kann. Sie sind kurz gefaßt folgende:
In den letzten drei Jahren war meine Aufmerksamkeit wiederholt auf den Mesmerismus gelenkt worden, und vor ungefähr neun Monaten fiel es mir plötzlich ein, daß es in der Reihe der vielen diesbezüglichen Experimente eine merkwürdige und unbegreifliche Lücke gebe – man hatte noch nie einen Sterbenden mesmerisiert. Hierbei würde man nämlich feststellen können: erstens, ob in einem solchen Zustande ein Patient überhaupt für die magnetische Beeinflussung empfänglich sei; zweitens, wenn das der Fall wäre, ob diese Empfänglichkeit durch den Zustand des magnetischen Schlafs vermehrt oder vermindert würde; drittens, in welchem Maße oder auf wie lange Zeit man durch Mesmerisieren den Tod oder seine Folgeerscheinungen aufhalten könnte. Es gab dabei auch sonst noch interessante Punkte, aber diese drei erregten am meisten meine Neugierde – besonders der letztere, wegen der unendlichen Wichtigkeit seiner Konsequenzen. Indem ich mich nach einem Objekt für meine Studien umsah, fielen meine Gedanken unwillkürlich auf meinen Freund Ernest Valdemar, den wohlbekannten Herausgeber der Bibliotheka Forensica, der auch unter dem
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