Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk
befreit
Von allem Leid,
Da sie mein ist mit Seel‘ und Leib.
Tagaus, tagein lacht Sonnenschein,
Seit Eulalie mein junges Weib,
Tagaus, tagein lacht Sonnenschein
Auf mein junges, geliebtes Weib.
Sonett an die Wissenschaft
O Wissenschaft! Du Sproß der Greisin Zeit,
Vor dessen Späherblick nichts sicher ist!
Du Geier, fluglahm vor der Wirklichkeit,
Was spürst du nach dem Dichter so voll List?
Wie sollte er – wenn schon du weise bist –
Dich lieben, die ihm seine Wanderung,
Mit der er Sternengegenden durchmißt,
Mißgönnt und seinen adlergleichen Schwung?
Vertriebst du nicht die Götterliebespaare?
Aus Fluß und Hain die Nymphen und Najaden,
Daß sie sich flüchteten ins Unsichtbare?
Verscheuchtest du nicht von den Wiesenpfaden
Die Elfen – und von mir den Sommertraum
Des Mittags unterm Tamarindenbaum?
An meine Mutter
Da mir gewiß ist, daß im Himmelsreich
Die Engel, wenn sie glühend sich benennen
Mit Liebesnamen, dennoch keinen kennen,
Der den geweihten Lauten »Mutter« gleich –
Geschah es längst, daß ich dich also hieß,
Die, mehr als Mutter, mir im Herzen tief
Die Stelle ausfüllt, die der Tod dir wies,
Als er Virginias Geist von hinnen rief.
Die eigene Mutter, die ich früh verloren,
Als Kind, war eine Mutter mir allein;
Doch du hast die Geliebte mir geboren,
Und teurer als die Mutter meines Leibes
Bist du mir, wie die Seele meines Weibes
Mir mehr galt als der eignen Seele Sein.
An Marie Louise Shew
In des Verstandes eitler Überhebung
Verkündete ich einst die »Macht der Sprache«,
Bestritt, daß ein Gedanke je erwache,
Für den das Wort ohnmächtig zur Belebung.
Und gleichsam, die Vermessenheit zu strafen
(In der ich mich so überlegen wähnte),
Haben zwei Worte, liebliche Akzente,
Zweisilbig, italienisch – nur geschaffen,
Auf Hermonshügeln, wo in Perlensträngen
Vom Firmament Tautropfen niederhängen,
Von Engelslippen musikalisch lind
Zu zittern – aus dem abgrundtiefen Schachte
Der Seele mir Gedanken, ungedachte
(Welche die Seelen der Gedanken sind),
Herausgelockt – zu wilden Phantasien,
Als daß sie selbst der Engel Israfel
Dem Gott der Stimmen lieblichste verliehen,
Zu formen wüßte. Und trotz dem Befehl
Aus deinem Munde fühl‘ ich mich erlahmen;
Mit diesen süßen Lauten, deinem Namen
Als Text, versagt die Macht der Sprache –
Kaum fühl‘ ich mehr – nicht Fühlen ist dies wache,
Der Welt entrückte, völlige Versinken,
Lautlose Stehen an der goldnen Schwelle
Der Träume, dieses Starren in die Helle,
Dieses Erschauern, wenn ich mir zur Linken,
Zur Rechten, vor mir, in der Höhe,
Und weit, weit weg am fernsten Punkt, wo sich
Mein Blick verliert, nichts andres sehe Als dich. –
An Frances S. Osgood
Du willst, daß man dich liebt, so weiche
Nie davon, was dein Wesen ist.
Bleibe nur immerdar die Gleiche,
Sei nichts, was du nicht wirklich bist.
Dann wird auch deine sanfte Weise,
Die mehr als Schönheit noch besticht,
Verleiten alle Welt zum Preise
Und Liebe werden – eine Pflicht.
Das Kolosseum
Urbild des alten Roms! Reliquienschrein
Erhabener Betrachtung! Nach so langer,
Mühseliger Pilgerschaft und heißem Durst
(Durst nach dem Quell des Einst, der in dir fließt)
Knie‘ ich, ein andrer, demutvoller Mann
In deinem Schatten, und in vollen Zügen
Trink ich vom Borne deiner Größe, deiner Weihe.
Unendlichkeit, ich höre deinen Strom!
Ich fühl‘ euch, dunkle Mächte der Zerstörung,
Nacht, Schweigen, Endlichkeit, ich fühl‘ euch jetzt!
O Zauber, sichrer als Judäas Fürsten
Ihn jemals in Gethsemane gelehrt,
Gewaltiger als die Chaldäer ihn
Vom Sternenhimmel in Verzückung lasen!
Hier, wo ein Held fiel, fällt jetzt eine Säule,
Dort, wo der Adler einst in Gold gestrotzt,
Hält eine Fledermaus Vigilien,
Wo ihr vergoldet Haar die Damen Roms
Im Winde flattern ließen, wogen nun
Riedgras und Disteln, und wo der Monarch
Auf goldnem Thron wollüstig-träge saß –
Da schlüpfen jetzt, vom Monde schwach beleuchtet,
Eidechsen hurtig in ihr Marmorheim.
O Mauern, moosbewachsene Arkaden,
Geschwärzte Schafte, schwankendes Gebälk,
Zerbröckelnde Ruinen, Steine, Steine,
Graue Steine, seid ihr alles, alles,
Was dem Geschick und mir vom Kolossalen
Der Stunden rastloses Zerstören ließ?
Nicht alles! gibt das Echo mir zurück.
Prophetenstimmen dringen zu dem Weisen
Aus uns und allen Trümmern, wie zur Sonne
Vom Memnonsteine Melodien klingen.
Vor unserer Größe beugen sich in
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