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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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hineinzuschieben und mit Erde zu bedecken. Er schauderte bei der Vorstellung, den Katzenleichnam zu berühren, aber es half ja nichts. Die Leiche würde schließlich nicht von selbst in das Loch fliegen …
    »Hörst du das?«, fragte Algernon plötzlich und hob den Kopf. Edgar hielt mit dem Putzen inne und lauschte. »Vogelgezwitscher. Meinst du das?«
    »Ja. Aber das ist kein normales Zwitschern«, sagte Algernon. »Du musst genau hinhören.«
    Edgar sah eine Meise, die sich in einem nahen Busch niedergelassen hatte. Sie piepste aufgeregt. Als Edgar sich konzentrierte, konnte er ihre Worte verstehen.
    »Miiie-zii. Tote Miiie-zii! Grausam ermordet, pink! Miiie-zii, Miie-zii! Sie ist toooot, pink!«
    Eine zweite Meise antwortete. »Tote Miie-zii, Miie-zii!«
    Ein Buchfink flatterte herbei. »Pink! Tote Katze, schlimm, schlimm!«
    »Der Schlächter war’s!«, trillerte eine Amsel. »Fürchtet den Schlächter! Er hat wieder zugeschlagen!«
    »Hilfe, Hilfe!«, tschilpte eine Schar Spatzen. Die Vögel hatten sich auf dem Gras niedergelassen und hüpften in respektvollem Abstand um die beiden Kater und die tote Katze herum.
    »Verstehst du das?«, wandte sich Algernon verwundert an Edgar. »Warum regen sich die Vögel so über eine tote Katze auf? Sie müssten doch eigentlich froh darüber sein. Ein Jäger weniger …«
    »Es ist so«, meldete sich eine knarrende Stimme hinter Edgar und Algernon, »wir haben eine Vereinbarung.«
    Edgar drehte sich um und sah einen alten Kater mit grauem Fell auf sich zuhumpeln. Der Alte zog sein linkes Hinterbein nach, offenbar war es durch eine Verletzung steif geworden.
    »Sobald der Schlächter wieder zugeschlagen hat, geben uns die Vögel mit ihrem Gezeter Bescheid«, erklärte der Graue. »Dafür haben wir versprochen, sie in Ruhe zu lassen. In Zeiten der Angst müssen wir zusammenhalten, da gelten andere Regeln.«
    »Ich habe nie etwas von dieser Vereinbarung gehört«, brummte Algernon.
    »Dann weißt du es jetzt«, sagte der Graue würdevoll und setzte sich auf den Kiesweg.
    Eine zweite Katze erschien. Sie hatte das gleiche rote Fell wie Algernon, war aber wesentlich zierlicher gebaut. Nein, sie war regelrecht dürr, wie Edgar auf den zweiten Blick erkannte. Man konnte sogar ihre Rippen unter dem Fell erkennen. Die Augen lagen tief in den Höhlen.
    »Hallo, Jane«, begrüßte der Graue die Katze. »Ich habe dich lange nicht gesehen.«
    »Wann erwischt er endlich mich?«, maunzte die Angesprochene in jammerndem Tonfall. »Dann hätte mein Leid ein Ende. Aber nein, er holt sich lieber die jungen, gesunden Katzen.« Sie legte sich neben den Grauen auf den Weg, sichtlich erschöpft. Gelbe Krusten klebten an ihren Augenrändern.
    Von der anderen Seite näherten sich zwei getigerte Katzen, die sich glichen wie ein Ei dem anderen. Als sie den Leichnam erblickten, fingen sie an, laut wehzuklagen.
    »Oh, es hat unsere arme Schwester getroffen! Die liebe Lizzy ist tot …« Sie stupsten den toten Körper an – verzweifelte Versuche, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Schließlich sahen die Katzenschwestern ein, dass ihre Bemühungen keinen Sinn hatten. Sie setzten sich hin und weinten.
    Innerhalb der nächsten Stunde hatten sich ungefähr dreißig Katzen in der Nähe der Leiche versammelt, die um die Verstorbene klagten und den Schlächter beschimpften. Noch immer war es sehr früh am Tag. Leichter Nebel lag über dem Park.
    Vor dem Tor tauchte ein Mann auf. Er trug eine Schaufel und eine dicke Zeitung. Sein brauner Anzug wirkte schmuddelig, und auch seine Schuhe hatten schon bessere Tage gesehen. Auf dem Kopf hatte er eine dunkelblaue Wollmütze, unter der sein weißes Haar hervorschaute. Auch seine Bartstoppeln waren weiß. Er hatte sich offenbar seit mindestens einer Woche nicht mehr rasiert. Das Auffallendste in seinem Gesicht waren die blitzblauen Augen, sie wirkten jung und lebhaft und schienen nicht so recht zu seiner faltigen Haut und seinem altersgebeugten Körper zu passen.
    Die Katzen machten ihm schweigend Platz, als er zu dem Leichnam trat und sich ächzend bückte.
    »Es ist also wieder einmal so weit.« Der Alte seufzte. Er legte die Schaufel zur Seite und hob mit seinen bloßen Händen den toten Katzenkörper sehr vorsichtig hoch. Einen Moment lang streichelte er der Katze den Rücken und kraulte sie zärtlich zwischen den Ohren. »Du hast es nicht verdient, dass er dich erwischt hat. Ich hoffe, dass es einen Katzenhimmel gibt und du es dort gut hast.« Er seufzte noch

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