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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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einmal. Dann wickelte er den Körper sorgsam in Zeitungspapier ein und verschnürte ihn mit einer dünnen Schnur. Er bückte sich abermals, um seine Schaufel aufzuheben, anschließend marschierte er mit dem Zeitungsbündel und der Schaufel zum Ausgang des Parks.
    Die ersten Katzen begannen ihm schweigend zu folgen. Edgar warf Algernon einen fragenden Blick zu, dieser nickte nur. Die beiden Kater schlossen sich dem Zug an. Hinter ihnen trotteten die anderen Katzen, und selbst die alten oder verletzten strengten sich an, das Tempo, das der Mann vorlegte, mitzuhalten.
    Es war eine seltsame Prozession, die sich da in den frühen Morgenstunden durch London bewegte, um einer toten Katze das letzte Geleit zu geben. Der alte Mann vermied die belebten Plätze, er suchte absichtlich Wege, auf denen ihnen kaum jemand begegnete.
    »Wohin geht er?«, fragte Edgar leise.
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, murmelte Algernon.
    Eine zerzaust aussehende Katze überholte die beiden auf der rechten Seite. »Er bringt die Tote zu der Katzenruhestätte«, erklärte sie. »Das macht er mit jedem Opfer des Schlächters. – Ich bin übrigens Belinda.«
    »Hallo, Belinda«, sagte Edgar höflich.
    Algernon sagte gar nichts.
    Belinda drängte sich dichter an Edgar heran. »Ich habe dich noch nie gesehen. Wie heißt du? Bist du neu in London?«
    »Er heißt Edgar und ist ein Stubenkater, ein richtiger Sesselfurzer«, antwortete Algernon. »Er lernt erst, dass das wahre Leben draußen vor der Tür stattfindet.«
    »Oh, stimmt das?«, fragte Belinda interessiert.
    »Ich habe bisher bei Emma gewohnt und noch nicht allzu viel von der Welt gesehen«, antwortete Edgar und warf Algernon einen vorsichtigen Blick zu. »Ohne meinen Freund Algernon wäre ich vermutlich verloren.«
    Belinda sah aus, als würde sie sich amüsieren. »Dann ist es wohl auch deine erste Katzenvergrabung?«
    Edgar nickte.
    »Meine übrigens auch«, schaltete sich Algernon ein. »Ich wusste nicht, dass es jemanden gibt, der sich um die Leichname kümmert. Finde ich gut.«
    »Ich war schon bei vielen Vergrabungen dabei«, trumpfte Belinda auf. »Jedes Mal bin ich froh, dass ich noch lebe und dass der Schlächter nicht mich erwischt hat.«
    »Warum tut er das nur?«, überlegte Edgar laut. »Er tötet nicht aus Hunger …«
    »Er tötet, weil er Diener braucht«, sagte Algernon. »Das hat er jedenfalls zu mir gesagt. Aber wie kann ich ihm dienen, wenn ich tot bin?«
    Belinda riss die blassgrünen Augen auf. »Du bist ihm begegnet? Wirklich und wahrhaftig? Und du lebst noch?«
    »Sonst wäre ich wohl nicht hier. Oder denkst du, ich bin ein Geist?«, gab Algernon zurück. Er lachte dröhnend, und eine Katze, die vor ihm ging, drehte sich vorwurfsvoll um.
    »Ruhe«, zischte sie. »Lautes Lachen ist nicht angemessen, während wir einer Kameradin das letzte Geleit geben.«
    Algernon bleckte kurz die Zähne. »Ich bitte untertänig um Entschuldigung«, erklärte er und gab vor, zerknirscht zu sein. Kaum hatte sich die Katze wieder nach vorne gewandt, verdrehte er genervt die Augen und ahmte ihren etwas eigenartigen, steif wirkenden Gang nach. Edgar musste sich zusammennehmen, um nicht herauszuplatzen. Algernon war ein exzellenter Schauspieler.
    Belinda lief jetzt so dicht neben Algernon, dass sie sich fast berührten. »Erzähl doch mal«, forderte sie ihn leise auf. »Wie war das mit dem Schlächter und dir?«
    »Willst du es wirklich wissen?«, vergewisserte sich Algernon.
    »Ja, klar«, sagte Belinda eifrig.
    »Ha, der Schlächter dachte, ich bemerke ihn nicht, doch ich bin ihm furchtlos entgegengetreten«, behauptete Algernon. »Er versuchte, mich mit seinem schrecklichen Gebiss einzuschüchtern, aber das hat nicht geklappt.«
    »Er ist ein schwarzer Panther, nicht wahr?«, fragte Belinda. »Alle sagen, dass er ein Panther ist. Vielleicht irgendwo ausgerissen, aus dem Zoo oder aus einem Zirkus.«
    »Es ist kein gewöhnliches Tier«, erklärte Algernon. »Er mag zwar wie ein schwarzer Panther aussehen, aber er hat keinen Schatten.«
    Belinda schnappte vor Überraschung nach Luft. »Oh!«
    »Er wollte meine Seele fressen und mich zu seinem Diener machen«, fuhr Algernon fort. »Aber bevor er seinen Plan durchführen konnte, habe ich ihm eins auf die Nase gegeben mit dieser Pfote.« Er hob seine rechte Pfote und fuhr die scharfen Krallen aus. »Hier, sieh sie dir gut an! Es war ein Volltreffer! Bis der Schlächter sich davon erholt hatte, war ich längst über alle

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