Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
schlüpfte in das Gewölbe. Edgar, Algernon und Sue folgten.
Sue fiel beim Anblick der Katzen in eine Art Schockstarre und rührte sich nicht mehr vom Fleck.
Auch Algernon war entsetzt. Seine grünen Augen hatten einen Ausdruck angenommen, den Edgar noch nie bei ihm gesehen hatte. Leyla beherrschte sich, obwohl ihre Schwanzspitze nervös zuckte. Sie versuchte, alles mit wissenschaftlichem Interesse zu betrachten.
»Beim stinkigen Rattenhirn – das sind vielleicht eine Menge Katzen!«, rutschte es Algernon heraus. »So eine einzige Katzenfigur flößt mir mehr Furcht ein als ein Leichnam. Bei der Leiche weiß ich wenigstens, woran ich bin. Aber das hier …« Er verstummte und versuchte, das Schlottern seines Körpers unter Kontrolle zu bringen.
»Abscheulich, nicht wahr?«, flüsterte Edgar ihm zu. »Spürst du auch das Unheimliche hier im Raum? Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll … Ist es die Gegenwart von Toten? Von Geistern? Oder … hat sich hier irgendwo der Teufel versteckt?« Seine Stimme zitterte.
»Könnt ihr mal einen Moment lang die Klappe halten?«, fauchte Leyla sichtlich genervt. »Wie soll ich mich da konzentrieren?«
Algernon und Edgar sagten nichts mehr. Sie beobachteten bang, wie Leyla zwischen den Wachskatzen hindurchspazierte. Ab und zu blieb sie stehen, um an ihnen zu riechen.
Sue löste sich aus ihrer Starre und schnappte hörbar nach Luft. Aus ihren Nasenlöchern rann Schleim, und auch ihre Augen tränten. »Wir müssen hier raus«, röchelte sie. »Wir kriegen keine Luft mehr … Wir ersticken gleich …«
»Ich bringe dich«, sagte Algernon sofort und begleitete sie zurück. Edgar wäre gern mitgegangen, doch er wollte Leyla in diesem unheimlichen Raum nicht alleinlassen.
»Wer hat diese Katzen geformt?«, überlegte Leyla laut, während sie um die einzelnen Figuren herumschlich und sie genau betrachtete. »Ist Mister Silver ein Künstler, der sich auf Katzenskulpturen spezialisiert hat?« Sie hielt inne und warf Edgar einen fragenden Blick zu. »Dazu würde auch passen, dass er sich einen Panther als Haustier hält. Aber für gewöhnlich lassen Menschen Raubtiere nicht frei herumlaufen, sondern sperren sie in Käfige ein oder legen sie an Ketten. Der Schlächter aber ist frei …«
»Und wie ist es zu erklären, dass der Schlächter keinen Schatten besitzt und Mister Silver auch nicht?«, wollte Edgar wissen.
»Du hast recht, dafür fehlt uns noch der Grund.« Leyla überlegte. »Vielleicht hat Mister Silver seinen Schatten eingetauscht … hm … gegen … gegen … vielleicht gegen künstlerisches Talent? Aber warum hält er dann die Wachskatzen hier im Keller versteckt und zeigt sie nicht in Ausstellungen? – Und warum auch der Panther keinen Schatten hat, wissen wir noch immer nicht.« Sie seufzte. »Edgar, ich fürchte, wir kommen nicht weiter, wenn wir uns nur diese Wachskatzen ansehen. Lass uns nach oben laufen. Vielleicht verraten die anderen Räume Mister Silvers Geheimnis.«
»Und wenn er uns entdeckt?«, warf Edgar ein und dachte an die Katzen, die Professor Murphy an Mister Silver verkauft hatte. Sie hatten immer noch keine Ahnung, was mit ihnen passiert war. Und warum verschlang der Panther die Seelen der Katzen? Weshalb sollten die Schattenkatzen die Seelen von Verstorbenen fangen?
Leyla war schon auf dem Weg zurück ins Laboratorium. »Irgendwo muss eine Treppe sein.«
Edgar lief hinter ihr her, froh, das Gewölbe mit den Wachskatzen verlassen zu können. Doch die düstere Atmosphäre lag über dem ganzen Haus. Leyla entdeckte in einem der anderen Kellerräume eine hölzerne Treppe, die ins Erdgeschoss führte.
Sie sprang die Stufen hoch. »Komm mit, Edgar!«
Er folgte ihr und bewunderte insgeheim ihren Mut. Ihre Neugier schien größer zu sein als ihre Angst. Eine Tür versperrte ihnen den Weg. Leyla wollte zur Klinke hochspringen, aber Edgar sagte: »Das übernehme ich. Du musst aufpassen, sonst platzt deine Wunde am Bauch wieder auf.«
»Danke, Edgar«, erwiderte Leyla. »Du bist sehr rücksichtsvoll.«
Edgar hüpfte hoch und öffnete die Tür. Allmählich bekam er Übung darin, solche Dinge zu tun. Die Tür sprang auf, und die beiden Katzen schlichen durch das Erdgeschoss. Es bestand aus einer großen Halle mit Marmorfußboden, von der aus verschiedene Räume abzweigten. Leyla marschierte zielstrebig voraus, und sie gelangten in einen Salon. Auf dem Fußboden lagen dicke Teppiche. Mehrere Sessel mit rotem Plüschbezug gruppierten
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