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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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Moment« hatte, wie er es heimlich für sich nannte: ein Zustand, in dem sie sich nicht an ihre Freunde erinnerte und auch nicht wusste, wer sie selber war.
    Sues verschiedenfarbene Augen glänzten wie im Fieber. Ihr Schwanz zuckte unruhig. Anscheinend konnte sie es kaum abwarten aufzubrechen.
    »Können wir jetzt los?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte Algernon, während Leyla und Edgar nickten.
    Sue sprang an der Wand hoch und kroch aus dem Loch. Die anderen folgten ihr.
    Die Nacht war still und wie verzaubert. Der Schnee dämpfte die Geräusche. Alles glitzerte und glänzte. Das Laufen war mühsamer als sonst. Die Pfoten sanken tief in der weichen Decke ein und nasse Schneereste blieben am Fell hängen. Es hatte inzwischen aufgehört zu schneien. Am Himmel funkelten die Sterne, und es war klirrend kalt. Eiszapfen hingen an den Fenstern und an den Straßenlaternen; manche hatten wunderliche Formen und schimmerten wie Kristall.
    Es war kaum jemand unterwegs. Ab und zu schlich eine vermummte Gestalt um die Ecke. Obdachlose hatten sich in die Hauseingänge zurückgezogen, weil sie dort geschützter waren. Doch die Kälte drang überallhin.
    Auch Edgar spürte, wie der Frost nach ihm griff und unter sein Fell kroch. Solange er in Bewegung blieb, war es einigermaßen zu ertragen.
    Die Katzen redeten wenig, um Kräfte zu sparen. Weiße Atemwölkchen stiegen aus ihren Nasen in die Luft. Sue führte die kleine Gruppe an, und Edgar fand es bewundernswert, dass sie ohne Zögern den Weg fand, den sie und er bereits tagsüber gegangen waren.
    Jetzt in der Nacht erschien der Marsch viel länger. Es lenkten sie keine lauten Geräusche ab, und auf den Straßen war kaum etwas los. Die Stadt schien in tiefen Schlaf gesunken zu sein, der Schnee wirkte wie eine dicke Bettdecke. Aus etlichen Kaminen stieg Rauch auf.
    Sie erreichten das Armenviertel. Aus manchen Häusern drang Wimmern, Streit oder Gegröle. Ein Mann schwankte betrunken im Schnee, rutschte aus und fiel hin. Fluchend rappelte er sich wieder auf.
    Endlich lag der kleine Park vor den Katzen. Jetzt war es nicht mehr weit bis zu Mister Silvers Villa. Die Spuren vom Nachmittag waren zugeschneit, aber es gab frische Abdrücke der großen Raubkatze. Sie führten vom Haus weg …
    Leyla betrachtete die Spuren fachmännisch. »Das war definitiv ein Panther. Ich habe in einem naturwissenschaftlichen Buch gesehen, wie sein Abdruck aussieht.«
    »Der Panther ist nicht da«, sagte Algernon. »Wahrscheinlich ist er wieder auf der Jagd. Wir können also ins Haus gehen und müssen uns nur vor Mister Silver in Acht nehmen.«
    Edgar hatte das Gefühl, dass seine Beine immer schwerer wurden, je weiter sie sich der Villa näherten. Bei dem Gedanken an die Wachskatzen sträubte sich alles in ihm. Er wollte nicht mehr in den Keller – aber er musste es doch tun, wenn er vor den anderen nicht als Feigling dastehen wollte.
    Sie fanden ohne Probleme den Hintereingang. Die Kellertür war unverändert. Der Pappkarton war heruntergefallen und lag am Boden – genau wie Edgar den Ort am Nachmittag verlassen hatte.
    »Edgar soll den Anfang machen«, bestimmte Algernon. »Er kennt sich schließlich aus.«
    Edgar hatte den Eindruck, dass sich sein Herz in einen Eisklumpen verwandelte, aber er widersprach nicht. Etwas steifbeinig sprang er durch das scheibenlose Fenster. Wieder war es der Geruch nach Honig, der ihm zuerst auffiel. Edgar setzte sich auf den Kellerboden und wartete auf die anderen.
    Sue war die Nächste und fing sofort an zu niesen. Dann kamen Leyla und Algernon.
    »Wonach riecht es denn hier?«, fragte Algernon mit dröhnender Stimme. »Das stinkt ja bestialisch!«
    »Das ist Honig«, antwortete Leyla. »Mein Herr benutzt oft Kerzen aus Bienenwachs, obwohl sie teuerer sind als andere Kerzen. Er liebt den Duft so sehr …«
    »Geschmacksverirrung«, knurrte Algernon. »Mir wird ganz dumm im Kopf von dem Gestank.«
    »Dann halte die Luft an«, sagte Leyla spöttisch zu ihm. Sie wandte sich an Edgar. »Wo sind die Katzen aus Wachs?«
    »Kommt mit«, sagte Edgar mit heiserer Stimme. Er führte seine Freunde durch den Keller zum Laboratorium. Leyla sah sich genau um und gab keinen Ton von sich. Sues Augen dagegen flackerten unruhig. Dieser Ort gefiel ihr nicht. Algernon ließ sich keine Angst anmerken. Er spazierte so selbstbewusst durch den Keller, als wäre er hier zu Hause.
    »Hinter dem Vorhang ist es«, wisperte Edgar.
    Leyla überholte ihn, streifte den Samtvorhang zur Seite und

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