Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
hatte insgeheim Zweifel. Doch Sue hatte sich den Weg wirklich gut eingeprägt. Sie zögerte an keiner Kreuzung, sondern schlug immer gleich eine ganz bestimmte Richtung ein. Endlich erkannte auch Edgar die Straßen wieder. Sie kamen an Mister Carringtons neuem Laden vorbei und waren kurze Zeit später in ihrem Kellerversteck.
»Wir wissen jetzt, wo Mister Silver wohnt«, verkündete Sue, nachdem sie durch das Loch ins Innere gesprungen war. »Edgar war sogar in seinem Keller.«
Algernon hatte gerade ein Nickerchen gemacht, aber nachdem er hörte, was geschehen war, war er hellwach.
Auch Leyla hörte voller Anspannung zu, was Edgar erzählte. Der schwarze Kater berichtete, wie er ins Haus eingedrungen war und was er im Keller gefunden hatte. Während er redete, sträubte sich sein Fell. Wahrscheinlich würden ihn die Wachskatzen im Traum verfolgen …
»Hm«, machte Leyla, nachdem Edgar fertig war, »das klingt sehr merkwürdig. Ich habe noch nie von einer ähnlichen Sache gehört. Doch halt, ich habe einmal ein Buch über Ägypten gelesen. Dort hat man im Sand sehr viele Vögel gefunden – Ibisse. Die waren alle mumifiziert … Die alten Ägypter beherrschten die Kunst, Leichname haltbar zu machen, damit sie nicht verwesten.«
»Und was hat das nun mit den Wachskatzen zu tun?«, fragte Algernon.
Einige Sekunden lang herrschte Schweigen im Keller.
»Glaubst du, dass in den Wachskatzen Leichname stecken?«, fragte Sue dann. Sie sprach genau den Gedanken aus, der Edgar durch den Kopf gegangen war.
»Ich weiß es nicht«, sagte Leyla und kratzte sich nervös den Kopf. »Es ist eine Möglichkeit. Vielleicht tötet Mister Silver die Katzen, die er Professor Murphy abgekauft hat, und taucht sie dann in flüssiges Wachs, um sie haltbar zu machen.«
Edgar war froh, dass er in den letzten Stunden nichts gegessen hatte, er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
»Vor der Villa waren auch die Abdrücke einer sehr großen Katze zu sehen«, erinnerte sich Sue. »Sie könnten zu dem schwarzen Panther passen, von dem ihr erzählt habt.«
»Es passt alles noch nicht richtig zusammen.« Leylas Miene sah angestrengt aus, so sehr grübelte sie. »Es wird immer wahrscheinlicher, dass es eine Verbindung zwischen Mister Silver und dem Schlächter gibt. Aber warum? Und welche Rolle spielen die Wachskatzen?«
»Der Panther lässt die Leichname liegen, nachdem er die Katzen getötet hat«, sagte Algernon. »Dieser alte Mann kommt, sammelt sie auf und vergräbt sie. Diese Leichen werden jedenfalls nicht in Wachs gegossen.«
»Vielleicht liege ich mit meiner Vermutung ja auch völlig daneben«, gab Leyla zu. »Wir müssen noch einmal zu der Villa, wenn wir mehr über Mister Silver und seine Wachskatzen herausfinden wollen.«
Edgar gruselte sich bei dem Gedanken, den Keller noch einmal zu betreten. Vielleicht war es ja nicht so schlimm, wenn die anderen dabei waren … Er würde auf alle Fälle nicht mehr allein in den Raum mit den Wachskatzen gehen, so viel stand fest.
»Wir müssen uns jetzt erst einmal ausruhen«, sagte Sue, stieg in eine Kiste und zog sich ein paar Stofffetzen zurecht. »Es war ein weiter Weg …«
»Sue kennt sich prima aus«, sagte Edgar. »Sie konnte sich die Strecke unheimlich gut merken. Ich hätte mich heillos verlaufen und vermutlich gar nicht mehr zurückgefunden.«
»Wenn Sue ein so gutes Gedächtnis hat, dann kann sie uns ja zur Villa führen«, meinte Leyla mit einem Blick auf die getigerte Katze, die bereits eingeschlafen war.
»Das wird sie bestimmt machen«, antwortete Edgar.
E dgar hatte tief und traumlos geschlafen, als Algernon ihn weckte.
»Wach auf, Schlafmütze! Es geht los!«
Edgar fuhr hoch. »Los? Wohin?«
»Hast du schon vergessen, dass wir zu Mister Silvers Villa wollten? Oh weh, die Spritze von Professor Murphy hat bei dir ziemlichen Schaden angerichtet, fürchte ich.« Leichter Spott lag in Algernons Stimme.
»Hat sie nicht.« Edgar war jetzt hellwach. »Natürlich weiß ich das noch. Aber jetzt ist es mitten in der Nacht …«
»Na und? Das ist schließlich die beste Zeit für Katzen.«
Edgar gab jeden Widerstand auf. Im Prinzip war es ja auch egal, wann sie der Villa einen Besuch abstatteten. Er fühlte sich ausgeruht und kräftig. Hoffentlich ging es Sue auch so, sie war schließlich klapperdürr …
Die getigerte Katze war schon bereit. Sie wirkte etwas fahrig und nervös. Edgar hoffte, dass sie nicht wieder »einen schummrigen
Weitere Kostenlose Bücher